Elsas Küche: Roman (German Edition)
ihr helfen, jetzt, da der Abend mit dem Kritiker gekommen war. Die letzten Vorbereitungen waren getroffen worden – die Spiegel waren abgestaubt und blank geputzt, die Leinentischtücher waren gewaschen und lagen faltenfrei auf den Tischen. Beide Toiletten funktionierten tadellos. Elsa hatte jede Ecke des Speisesaals persönlich inspiziert und gleich alle Angestellten begrüßt. Alle waren in bester Verfassung – frisch zurechtgemacht und munter. Die Köche trödelten nicht und rauchten nicht, sondern waren bereits dabei, alle Zutaten vorzubereiten. Sie würfelten Zwiebeln und Knoblauch, schnitten Schweinefleisch und Rindfleisch, begannen Suppe zu kochen, und sogar die Dillsoße nach Elsas Rezept war fast fertig.
Elsa hatte beschlossen, das Lokal an diesem Abend früher aufzumachen und den besten Platz für den Kritiker zu reservieren. Er würde mit dem Rücken zur Küchentür sitzen und auf das Panoramafenster blicken. Der Blick nach draußen wurde durch frische Tulpensträuße auf den Fenstersimsen akzentuiert. Auch in den Ecken und an der Wand standen Vasen mit Tulpen in allen Farben. Elsa hatte sie ausgesucht, und der Oberkellner hatte sie zu bunten Sträußengebunden, die dem Restaurant eine warme, intime Note gaben.
Elsa ging durch den Raum und strich unsichtbare Tischtuchfalten glatt. Als der Oberkellner eintraf, sah sie auf die Uhr. Sie musste jetzt los, um den Kritiker und ihre alten Lehrer am Bahnhof abzuholen. Bis zur Ankunft des Zuges waren es noch zehn Minuten. Sie sah sich ein letztes Mal prüfend im Restaurant um und musterte den Oberkellner. Als sie zufrieden war, ging sie in die Küche, um dort alles zu überprüfen. Sie wollte die Männer vom Bahnhof sofort per Taxi ins Hotel gegenüber von ihrer Wohnung bringen, damit sie sich vor dem Essen frisch machen konnten.
Als sie die Arbeitsplätze inspizierte, traf der Tellerwäscher ein und tätschelte ihr gutmütig den Rücken.
»Das wird ein großer Abend«, sagte er. »Unglaublich, dass man uns auserkoren hat.«
Auch Elsa konnte es kaum glauben. Dass sie diesen Abend erleben durfte! So etwas gab es sonst nur in Paris, das wusste sie. Oder in Berlin. Vielleicht ab und zu in Budapest. Aber hier? Im kleinen Délibáb? Elsa blickte wieder auf ihre Armbanduhr. Dora und der Küchenchef waren nirgends zu sehen. Sie runzelte die Stirn.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte der Tellerwäscher, als er merkte, dass ihr Atem schneller ging. Um sie zu beruhigen, tätschelte er ihr immer noch den Rücken, als wäre sie ein nervöses Pferd. »Sie sind artig und kommen sicher gleich.«
»Sie sind unpünktlich«, sagte Elsa. Sie wusste, dass sie verbittert klang. »Ich muss zum Bahnhof.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte der Tellerwäscher. Er führte sie zur Küchentür und drängte sie praktisch ausder Küche. »Ich habe ein wachsames Auge auf alles. Sie kommen sicher jeden Augenblick.«
Elsa lächelte ihn an und klopfte ihm ebenfalls auf die Schulter.
»Ich muss los«, sagte sie.
»Nur zu.« Er hielt ihr die Tür auf, während er sie noch ein bisschen mehr schubste. »Gehen Sie.«
Während sie durchs Restaurant ging, hörte sie die Köche arbeiten. Der eine schlug die Dillsoße mit dem Schneebesen, und der andere parierte eine Lammkeule. Trotz der Zusicherungen des Tellerwäschers hatte Elsa ein flaues Gefühl im Magen. Sie kehrte um und steckte den Kopf durch die Küchentür.
»Bereiten Sie alles so gut wie möglich vor, ja?«, rief sie den Köchen zu. »Ich brauche die Sachen, sobald ich zurück bin.«
Der zweite Postenkoch nickte und legte die Lammkeule nieder und ging zum Kühlschrank.
»Sie kommen noch zu spät«, erinnerte sie der Tellerwäscher und versperrte ihr die Sicht.
Elsa sah zum dritten Mal auf die Uhr und fluchte. Dann ging sie.
An der Ecke bekam sie ein Taxi und war im Handumdrehen am Bahnhof, musste dann jedoch feststellen, dass der Schnellzug vierzig Minuten Verspätung hatte. Die Dame am Fahrkartenschalter war mürrisch und gab ihr keine Auskunft. Elsa hatte das Gefühl, gleich überzuschnappen. Wozu hatte sie alles so genau geplant, wenn die Züge nicht pünktlich fuhren? Wozu? Elsa blickte die Schalterdame an, rollte die Augen und setzte sich dann auf eine Bank. Sie nahm ihr Handy und rief das Restaurant an, aber niemand hob ab. Fünf Minuten später rief der Küchenchef zurück.
»Wo bist du?«, fragte er.
»Da bist du ja endlich!«, schnauzte sie.
»Natürlich«, sagte er, »wir sind beide hier. Dora bereitet
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