Elsas Küche: Roman (German Edition)
den Kuchen vor. Die Soße ist schon fertig. Die Kinder haben uns gerade ein bisschen zu schaffen gemacht, weil sie dauernd an die Scheibe geklopft haben, aber der Kellner hat sie weggeschickt und ihnen gesagt, sie sollen heute Abend nicht wiederkommen. Ansonsten ist alles picobello. Das Restaurant sieht toll aus, und die Stammgäste sind bereits da.«
Elsa lächelte. Das klang gut. Sie hatte auch alle Stammgäste eingeladen – Eva, den Professor der Geisteswissenschaften, den Postinspektor und den Wachtmeister mit dem Motorrad. Ihr Restaurant sollte vor Leben vibrieren, und der Kritiker sollte sehen, dass es gut besucht war. Ein lebendiges Lokal. Das einzige Problem war, dass diese Gäste eigentlich erst eintreffen sollten, wenn der Kritiker angefangen hatte zu essen. Er sollte in Ruhe essen und den Geschmack ohne Ablenkung genießen können.
»Es wird schon klappen«, sagte Elsa. »Ich bringe ihn so schnell wie möglich ins Restaurant.«
»Klingt gut«, sagte der Küchenchef. »Dann viel Glück!«
Elsa zögerte einen Moment und wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte bemerkt, wie sanft er sich anhörte, und wollte ihm entsprechend antworten, als ihr ein in der Ferne aufflackerndes Licht ins Auge fiel. Über ihrem Kopf verkündete ein Lautsprecher knisternd die Ankunft des Zuges. Die Leute standen auf, zeigten nach draußen und setzten sich in Bewegung, um rechtzeitig am Bahnsteig zu sein.
»Der Zug ist da!«, rief Elsa in ihr Handy. »Fangt an! Wir sind gleich im Restaurant.«
Der Zug fuhr ratternd und quietschend ein, dann zischtendie Druckluftbremsen, und er kam zum Stehen. Elsa stand am Bahnsteig und verrenkte sich den Hals, um ihre Lehrer ausfindig zu machen. Sie sah sich kurz in einer Fensterscheibe und war höchst zufrieden mit ihrem Äußeren. Sie hatte sich die Augen mit Mascara und Lidschatten dezent geschminkt, damit sie größer wirkten.
Im hinteren Teil des Zuges sah sie eine wild winkende Hand. Dann hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Die Stimme kam von sehr weit hinten, wo die Waggons der zweiten Klasse waren. Sie hatte angeboten, ihnen Fahrkarten für die erste Klasse zu kaufen, doch das wollten ihre Lehrer nicht.
»Das ist doch nicht nötig«, sagten sie. »Wir übernehmen das. Wir kümmern uns darum.«
Jetzt wünschte sie, sie hätte ihnen Plätze reserviert. Sie eilte ans Zugende. Der Soßendozent stieg allein aus, und Elsa reckte den Hals, um zu sehen, ob noch jemand nach ihm kam, ob der Fleischdozent oder der Kritiker bei ihm waren. Aber er war allein. Etwas stimmte nicht. Der Soßendozent hatte ein Veilchen und sah verschwollen aus. Seine Hände zitterten, und er schüttelte traurig den Kopf.
»Was ist denn passiert?«, fragte Elsa und machte dabei fast das gleiche Gesicht wie er. Um ihn zu beruhigen, legte sie ihm die Hände auf die Schultern. »Was ist Ihnen zugestoßen? Was ist geschehen?«
Man konnte sehen, dass der Soßendozent geweint hatte. Elsa nahm ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und gab es ihm, während sie sich weiter den Hals nach den aussteigenden Passagieren verrenkte. Sie gab dem Dozenten noch ein Taschentuch. Die Passagiere, die aus dem Zug ausstiegen, sahen sie mitleidig an. Sie fing ein paar Gesprächsfetzen auf.
»So ein Ärger«, flüsterte eine Frau ihrem Mann zu und starrte Elsa dabei unverhohlen an.
»Skandalöses Benehmen«, sagte eine alte Frau zu ihren Töchtern, die sie an der Zugtür in Empfang nahmen. Elsa sah kein bekanntes Gesicht.
»Was ist denn nur los?«, fragte sie und zog den Soßendozenten vom Zug weg, damit er den anderen nicht im Weg stand.
»Man hat versucht, uns aus dem Zug zu werfen!«
»Wie bitte?«. Elsa kreischte beinahe. »Wer? Wer hat versucht, Sie aus dem Zug zu werfen?«
Man hörte eine Gruppe von Leuten im Zug singen, und der Gesang wurde lauter, als sie sich der Waggontür näherten. Es waren Rowdys, junge Männer, die eindeutig betrunken waren. Ein Schaffner lief hinter ihnen her. Als sie gerade aussteigen wollten, sahen sie den Soßendozenten.
»He! Das ist doch unser kleiner Freund!«, schrie einer. Sie kamen näher – sechs große, bullige junge Männer mit gelacktem Haar und blasierten Gesichtern. Frivole Typen, dachte Elsa – die Sorte, die tagsüber ins Fitnesscenter ging und abends in Nachtclubs.
»Hallöchen!«, sagte einer und schlich sich an sie heran. »Wer ist denn das Vögelchen? Ist wohl deine Tochter, was?«
Der Soßendozent drehte sich um und sah die jungen Männer finster an. Er
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