Elsas Küche: Roman (German Edition)
gut kannten.
Die Cousins sahen Pisti an, der sich die Stirn hielt. Zumindest würde er seine Verletzung überstehen, ohne dass ihn alle auf den Kopf schlugen. In der Hoffnung, eine dritte Stimme zu hören – die leise Stimme von Angela, ihrer jüngsten Tante, dem Blumenmädchen –, standen sie noch einen Augenblick an der Türschwelle. Vielleicht würde sie auf sie aufmerksam, und sie könnten sich hinter ihrem Rock verstecken. Von allen Erwachsenen war sie die Netteste. Einmal hatte sie ihnen allen Überraschungseier aus Schokolade gekauft. Sie horchten auf ihre Stimme, hörten sie aber nicht. Sie war noch nicht zurückgekommen.
»Bringen wir’s hinter uns«, sagte Pisti.
»Glaubst du, du stirbst?«
»Ich glaub nicht.«
»Kannst du nicht einfach so tun und dich total gehen lassen?«
»Kann ich schon«, sagte Pisti. »Soll ich das?«
»Unbedingt. Mach ein großes Trara, dann tun sie uns vielleicht nichts. Nur für eine Weile.«
Pisti schüttelte den Kopf. »Dann schicken sie mich ins Bett, und ich hab doch Hunger!«
Seine Cousins legten ihm die Hände auf die Schultern.
»Wir heben dir was zu essen auf. Ehrenwort. Und wenn wir das nächste Mal was zu rauchen finden, kriegst du den ersten Zug und brauchst nicht den Filter zu rauchen.«
Pisti überlegte. Es war ein gutes Geschäft.
»Ehrenwort?«
Die Cousins nickten, und Pisti lächelte und stöhnte leise. Dann weinte er echte Tränen. Seine Cousins lächelten. Pisti war ein glänzender Schauspieler. Im Zirkus wäre ergroßartig gewesen. Er hielt sich die Hand an den Kopf und schlotterte. Die Jungen hielten ihn fest. Sie hatten die gute, theatralische Idee, sich sein Blut auf die Wangen zu schmieren.
»Mama«, rief der Älteste, »Mama, komm schnell her! Pisti blutet!«
Sie hörten, dass die Frauen in der Küche aufhörten zu streiten, dann vernahmen sie Geschirrklappern. Zwei Frauen erschienen und versuchten gleichzeitig, sich durch die Tür zu bugsieren. Es waren Frauen mit enormer Körperfülle – Schwestern, mit üppig wogenden Hüften, Bäuchen und Busen ausgestattet, die sich irgendwie nicht weich anfühlten. Renata und Mona waren im Viertel berüchtigt für die Ratschläge, die sie verkauften. Sie verdienten ihr Geld mit Kartenlesen, Maßnahmen gegen den bösen Blick und Wahrsagerei. Auch wenn ihre Kunden sie nicht für besonders talentiert hielten, so waren sie doch besser als nichts ...
Renata quetschte sich als Erste durch die Tür und erbleichte beim Anblick ihres Neffen, der sich schlotternd den Kopf hielt, beim Anblick seines und damit auch ihres eigenen Bluts, das an ihrem Sohn klebte. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und sie schrie und streckte die Hände nach Pisti aus.
»Was ist passiert?«, kreischte sie und schloss ihn in ihre dicken Arme.
Ihre Schwester Mona war ebenfalls durch die Tür gelangt und starrte bestürzt auf die drei Jungen und das viele Blut. Weil ihr nichts anderes einfiel, schlug sie die beiden anderen auf den Kopf. Die Jungen versuchten, in Deckung zu gehen, doch Monas geballte Fäuste prasselten wie Steinschlag auf sie nieder.
»Wie könnt ihr euren kleinen Cousin so nach Hause bringen? Habt ihr nicht auf ihn aufgepasst? Wie könnt ihr es wagen, einen armen Waisenjungen in so einem Zustand herzubringen?«
Die Jungen wollten weglaufen, waren aber von so viel Leibesfülle umgeben, dass sie dem Gewühl der Hände nicht ausweichen konnten. Die Hände schlugen auf ihre Köpfe, als wären es Trommeln.
»Wir waren es nicht«, riefen sie. »Wir haben nichts getan.«
Renata hob ihren Neffen hoch und trug ihn ins Haus.
»Sei vorsichtig«, warnte Mona. »Vielleicht hat er eine Hirnverletzung. Boxern passiert das dauernd.«
Renata trug Pisti ins hintere Zimmer, legte ihn ins Bett und deckte ihn zu.
»Beweg dich nicht«, sagte sie. »Ich mach dich sauber.«
Sie ging zurück in die Küche und holte einen feuchten Lappen. Sie hörte die anderen draußen. Die Jungen wurden immer noch verprügelt. Mona quetschte sie aus.
»Was ist passiert?«
»Die Restaurantmadam hat versucht, ihn umzubringen!«
Mit finsterem Gesicht hielt Renata den Lappen unter den Wasserhahn und schüttelte wütend den Kopf. Wer schlägt denn Kinder, noch dazu ein Waisenkind!
»Wir können nichts dafür«, fuhren die Jungen fort. »Die Restaurantmadam ist schuld. Die, die erlaubt, dass Angela dort Blumen verkauft. Wir haben sie um Geld gebeten, und da hat sie wie eine Irre nach uns geschlagen.«
Renata überlegte. Angela hatte oft gesagt,
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