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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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die Restaurantmadam sei nett. Und Angela war diejenige gewesen, die vorgeschlagen hatte, dass die Jungen dort bettelten. Es musste sich um ein Versehen handeln, und falls nicht, falls es sich wirklich um eine aggressive Gewalttat handelte, würde sie die Onkel bitten, sich um die Sache zu kümmern, wenn sie später vorbeikamen.
    »Die Onkel werden sie sich vorknöpfen«, verkündete sie. »Wenn sie wieder hier sind, erzählen wir ihnen alles. Damit erpressen wir sie, das ist die Gelegenheit.«
    Mona gefiel die Idee. Sie lächelte ihre Schwester an.
    Die Jungen sahen sich an und schnitten Grimassen. Die Sache lief nicht wie geplant; jetzt würde vielleicht doch jemand an Elsas Tür klopfen. Ihnen war auch klar, dass sie geliefert wären, wenn sie ihre Geschichte jetzt zurückzogen. Als Renata die Onkel erwähnte, hatte Mona aufgehört, die Jungen zu prügeln. Wenn sie jetzt von ihrer Version abwichen, würde sie vielleicht wieder anfangen. Wenn sie müde war, würde Renata sie ablösen, und wenn die Onkel dann kamen, wären sie erledigt. Die Jungen sahen sich an und beschlossen stillschweigend, den Mund zu halten. Mona strich ihre Schürze glatt und schickte sie ins Haus. Sie stürzten direkt zum Herd und wollten ein glänzendes Stück Rindfleisch stibitzen, doch Renata schrie sie an und scheuchte sie ins Hinterzimmer.
    »Heute gibt’s kein Abendessen«, sagte sie. »Das ist für eure Onkel.«
    Die Jungen gingen schmollend ins andere Zimmer. Pisti setzte sich auf.
    »Hat’s geklappt? Habt ihr was zu essen mitgebracht?«
    Die Cousins knallten die Tür zu und warfen sich auf den Boden. Sie fluchten und stampften mit den Füßen auf.
    »Kein Abendessen«, sagten sie. »Die Onkel sorgen dafür, dass die Restaurantmadam bezahlt.«
    Pisti erstarrte. Er blickte seine Cousins an.
    »Warum das denn?«
    »Eine Idee von meiner Mutter. Sie hat gesagt, vielleicht können wir was rausschlagen. Ich will jetzt nur ein bisschen Fleisch.«
    »Arme Restaurantmadam«, sagte Pisti.
    »Geschieht ihr recht«, sagte der älteste Cousin.

    Die Onkel waren die einzigen Menschen auf der Welt, vor denen die Jungen richtig Angst hatten. Es waren eigentlich keine Onkel. Was Pistis Eltern angeht, so waren sie zwar verheiratet gewesen, jedoch verunglückt, als er noch ein Baby war. Der Fahrer eines Taxis, in dem die Eltern saßen, hatte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren.
    Früher, noch ungefähr zehn Jahre zuvor, waren die Onkel Fabrikarbeiter gewesen, die frühmorgens aufstanden und drei Stunden mit den anderen Arbeitern im Zug zur Konservenbüchsenfabrik nach Budapest fuhren. Seitdem das Land jedoch von Veränderungen überflutet wurde, blieben ihnen nur Gelegenheitsarbeiten und ab und zu ein paar Gaunereien. Momentan arbeiteten sie in einem neuen Beschäftigungsprogramm als Teilzeitarbeiter. Man setzte sie überall in der Stadt ein, wo körperliche Arbeit gebraucht wurde. Sie räumten abgebrochene Äste und andere Hindernisse von Straßenbahnschienen oder säuberten Käfige im städtischen Zoo, wie in den letzten sechs Wochen. Wenn sie abends nach Hause kamen, rochen sie nach den Löwen und Bären, brachten aber auch Popcorn und Sonnenblumenkernemit, die sie aufgefegt hatten, und deshalb freuten sich die Jungen gewöhnlich auf sie.
    Der eine Onkel war klein und rund, genauso beleibt wie die beiden Schwestern und wie Jupiter, der Planet. Er behauptete gerne, dass seine Schilddrüse daran schuld war – das hatte er von einer Frau im Zug gehört, die ihren Mann darüber aufklärte. Dieser Onkel stützte sich beim Gehen schwerfällig auf einen Stock. Seinetwegen mussten sie weiter Tierkäfige säubern, denn zu etwas anderem war er nicht zu gebrauchen. Er war nicht schnell genug.
    Sein Bruder, der andere Onkel, war groß und dünn, aber auf merkwürdige Weise: Er sah schaurig und bleich aus – ein echter blutsaugender Transsilvanier, wie ihn seine Schwestern gern neckend nannten. Er trug ein billiges Trainingsanzugsimitat und immer dieselbe grüne Jägermütze, egal, wohin er ging, und außerdem das ganze Jahr über Sandalen. Er sprach kaum. Er stand nur hinter seinem beleibten Bruder, mit vermauertem Gesicht und starrte in die Luft. Er wollte bedrohlich wirken – still und groß und schweigsam wie eine Statue mit Todesmaske –, bis sein Einsatz erforderlich war, um dem Standpunkt seines beleibten Bruders Nachdruck zu verleihen.
    Die beiden Männer kamen jede Woche vorbei, um nach den Frauen und den Kindern zu sehen, um etwas zu essen zu

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