Elsas Küche: Roman (German Edition)
immer noch keinen Schritt weiter war und den Eindruck hatte, dass es aussichtslos war, gab sie auf. Nachdem sie tagtäglich an das Tor geklopft hatte und niemand aus dem Häuschen gekommen war, kehrte Elsa dem Viertel schließlich den Rücken. Sie fand sich damit ab, vielleicht nie zu erfahren, was mit Pisti geschehen war. Vielleicht sollte ich erleichtert sein , dachte sie, ging aber mit schwerem Herzen fort – mit schleppendem Schritt und hängenden Schultern. Doch was konnte sie tun, wenn die Familie nicht gefunden werden wollte? In ihrem Restaurant hatte sie mehr als genug zu kämpfen.
XIII
D ie Vorbereitungen für die Einweihung der Drei Rosen waren in vollem Gange. Dora und der Küchenchef waren sich einig, dass der Blumenkarneval – der Sommerhöhepunkt in Délibáb – ein ausgezeichneter Tag für die Eröffnung ihres neuen Restaurants sei. Der Karneval war in der ganzen Gegend berühmt und zog Ströme von Menschen aus der Umgebung an, die mit ihren Familien auf dem Boulevard spazieren gingen, einkauften oder sich den Umzug ansahen, der sich durch die Stadt schlängelte. Das Fest dauerte den ganzen Tag, und es gab fliegende Bauten und Umzugswagen, die über und über mit Blumen geschmückt waren. Für die Vorbereitungen brauchte die Stadt ein ganzes Jahr.
Der Küchenchef geriet fast aus dem Häuschen darüber, dass er sein Restaurant an dem Boulevard eröffnen würde, an dem auch der Festzug vorbeikommen würde. Auf dem Gehsteig würde er Tische und Stühle aufstellen, und bei dem Gedanken an das Geld, das er verdienen würde, strahlte er übers ganze Gesicht.
Das junge Paar hatte sich große Mühe mit der Speisekarte gegeben, und beide waren zufrieden mit ihrer Auswahl, vor allem mit den bunten, exotischen Gerichten, die sie sich ausgedacht hatten und die zu Aushängeschildern ihres Restaurants werden konnten – der Entenbrustsalat mit Zitronenpfefferzum Beispiel, oder herzhafte Paella kombiniert mit Gazpacho. Solche Kreationen hatte es in Délibáb noch nie gegeben. Die Drei Rosen waren ein Lokal mit globaler Küche, in dem die Gäste zudem nicht lang auf ihr Essen würden warten müssen: Gourmetgerichte, die schnell serviert wurden, sollten das Lokal zu etwas Besonderem machen. Die Hauptgerichte waren so ausgewählt, dass sie nicht viel Zeit brauchten, dabei aber ausgefallene kleine Wunderwerke boten. Das junge Paar hatte entschieden, nur wenige Hauptgerichte anzubieten, weil das Lokal vor allem auf Desserts und Kuchen spezialisiert war.
»Der Duft nach karamellisierendem Zucker wird die Leute überwältigen«, sagte der Küchenchef zu seinem zukünftigen Schwiegervater, als sie die Speisekarte zusammen durchgingen. »Wir brauchen nicht viele Hauptgerichte. Nur ein paar Gaumenfreuden, bis es Zeit fürs Dessert ist. Wenn wir erst zu einem Markennamen geworden sind, können wir das Rezept an die Fabrik weitergeben und verpackte Ware vertreiben.«
Während es also nur ein paar Hauptgerichte gab, war die Liste der Kuchensorten und Desserts endlos: Eistorten mit Sahne und Obst. Siebenlagige, rechteckige Torten mit Mohnfüllung und Schokoladenstreuseln. Marzipantorten. Apfelschnitten. Pflaumenschnitten. Hefekuchen mit bayerischer Creme. Blätterteigteilchen. Strudel. Quarktaschen. In einer großen Vitrine würden alle Speisen und Kuchen ausgestellt sein, die man im Lokal essen oder auch mitnehmen konnte. Sogar Marzipanrosen würde es geben, die so echt aussahen, dass keiner sie zu essen wagen würde. Wilde, langstielige, mit Bändern verzierte Rosen. Sie hofften, ganze Sträuße davon für Hochzeiten oder Namenstage verkaufen zu können. Das war Doras Idee gewesen. Die ersteRose hatte sie aus einer Mandel-Puderzucker-Paste gezaubert, die sie zu Kugeln gerollt und dann klein geschnitten, platt gedrückt und zu kleinen Blütenblättern geformt hatte. Die Blättchen hatte sie dann geschickt zusammengefasst und immer mehr Blättchen hinzugefügt, bis eine dicht gefüllte Blüte in ihren Händen blühte.
»Ich kann sie in allen Farben machen«, sagte sie zum Küchenchef. »Toll, findest du nicht?«
Es war toll. Der Küchenchef biss in eine Rose. Sie zerschmolz ihm praktisch auf der Zunge. Er lächelte genießerisch und streichelte Doras Schultern.
»Die werden unser Logo«, sagte er. »Drei davon auf jedem Tisch.«
Doch sie mussten sich nicht nur um die Küche kümmern, sondern auch dafür sorgen, dass der Neubau den letzten Schliff bekam. Er lag an einer guten Straßenecke und zog sich über drei
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