Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
Vom Netzwerk:
immer noch auf sie, er stieß immer wieder mit dem Zeigefinger in ihre Richtung und stach sie geradezu, sodass sie es auf der Haut spüren konnte und am liebsten ganz klein und unsichtbar geworden wäre. Dann drehte er sich ein Stück zur Seite und zeigte erst auf den Bordstein vor dem Restaurant und danach auf seinen Kopf. Elsa entsann sich, wie es geklungen hatte, als Pistis Kopf auf dem Pflaster aufschlug. Ihr schwindelte plötzlich ebenfalls. Sie wusste jetzt, was er da gerade erzählte, und war sich sicher, dass die Männer jeden Augenblick über sie herfallen würden.
    Doch es sah nicht so aus, als hätten sie es damit besonders eilig. Der Rundliche strich sich über den Schnurrbart und nickte. Der Maibaum behielt Elsa im Auge.
    Obwohl sie eine Woche versucht hatte, die Männer zu finden, hätte sie jetzt viel dafür gegeben, wenn sie wieder verschwunden wären.
    Doch Elsa, die am liebsten davongelaufen wäre, bekämpfte diesen Instinkt und beschloss, zu den Männern hinüberzugehen. Obwohl ihre Beine schwer wie gefroreneRinderhälften waren, zwang sie sich vorwärts. Sie ließ die Männer keinen Moment aus den Augen. Sie bemerkte die Sandalen an Maibaums Füßen, die Feder an seinem grünen Jägerhut, den Fettfleck auf seinem Trainingsanzug. Dass der Dicke an einem Metallstock ging, auf den er sich mit der rechten Hand stützte. Elsa betrachtete sie nacheinander und sah sich dann den Jungen an. Er trug kein Hemd, nur kakifarbene Shorts. Sie versuchte, seinen Blick zu erhaschen, doch er schüttelte den Kopf und befreite sich. Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben – als hätte sie seinen kleinen Cousin tatsächlich aufgegessen. Er rannte weg. Die beiden Männer drehten sich um und versuchten, ihn zu packen, doch er war wie ein Kaninchen in Panik. Sie hörte, wie sie ihn riefen, dann wandten sie sich um und rannten hinter ihm her. Elsa atmete erleichtert auf. Der Maibaum drehte sich zweimal nach ihr um und warf ihr drohende Blicke zu, doch Elsa wusste, dass sie an diesem Abend nicht zurückkommen würden. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie sah zum Himmel hinauf. Sie dachte nicht mehr an Zahlen oder an den Tellerwäscher oder Festumzüge und Blumenwagen. Stattdessen machte sie auf dem Absatz kehrt, eilte nach Hause zurück und schloss sich ein. Durch den Vorhang spähte sie auf den Boulevard.
    Sie wartete ein paar Stunden darauf, dass sie womöglich doch dort auftauchten, und ging schließlich zu Bett, schlief jedoch unruhig und träumte schlecht.

    Am nächsten Morgen machte sie sich abermals auf den Weg ins Romaviertel, doch wieder war niemand in dem Häuschen. Sie war eine Woche nicht da gewesen, und alsdie Kinder des Viertels sie sahen, stieben sie auseinander und rannten nach Hause.
    »Die stinkige Hexe ist wieder da!«, schrien sie. »Sie will uns aufessen.«
    Elsa schlug ans Tor, doch wie immer kam keine Antwort. Sie ging zum Geschäft an der Ecke und trat ein. Der Ladenbesitzer und sein Gehilfe blickten auf.
    »Was wollen Sie?«, fragte der Ladenbesitzer nervös.
    »Ist die Familie wieder da? Ich habe den ältesten Jungen mit den beiden Männern gesehen.«
    Der Ladenbesitzer seufzte.
    »Nein. Sie haben sich nie wieder blicken lassen. Ein Glück, dass sie mir das Geld dagelassen haben. Das hätt ich sonst nie wiedergesehen. Aber wenn die jetzt nach ihnen suchen, steht Ihnen ganz schöner Ärger bevor. Dann hat Ihr letztes Stündlein geschlagen.«
    Er lachte und sah zu seinem Gehilfen hinüber, der ebenfalls losprustete. Elsa wollte keinen Augenblick länger bleiben und machte sich schnurstracks auf den Rückweg ins Restaurant. Sie wollte sofort mit der Arbeit beginnen, um so schnell wie möglich fertig zu sein. Während das Mittagessen serviert wurde, ging sie immer wieder in die Gaststube und starrte aus dem Panoramafenster. Die Gäste dachten, sie käme ihretwegen und winkten sie zu sich, um ihr alles Gute zu wünschen oder Ratschläge zu geben. Diesmal konnte sie nicht so tun, als hörte sie zu – sie dankte ihnen nur zerstreut und ging zurück in die Küche.
    »Nicht gerade freundlich«, rief ihr ein Gast hinterher.
    »Höchst unfreundlich«, sagte ein anderer.
    Zufällig war der Wachtmeister mit dem Motorrad da und sah die verärgerten Gäste streng an, bis sie Ruhe gaben und in ihre Tagessuppe starrten.
    Elsa blieb wieder bis spät im Restaurant und machte den Abwasch. Dann ging sie langsam nach Hause und drehte sich immer wieder um.
    Auch am nächsten Tag und am übernächsten und am

Weitere Kostenlose Bücher