Elsas Küche: Roman (German Edition)
nötig. Als sie die Spiegel blank geputzt hatte, stellte sie sie deshalb direkt neben die Eingangstür, sodass sie die Männer nicht hereinbitten musste, wenn sie anklopften.
Ohne die Spiegel wirkte die Wand kahl und der ganze Raum kleiner, wie ihr auffiel, und die verfärbten ovalen Ränder, die sie hinterlassen hatten, gaben dem Restaurant etwas Tristes, fast Schmuddeliges. Alles wirkte irgendwie abgenutzter. Sie betrachtete die Gaststube und dachte an das neue Restaurant, das Dora und der Küchenchef bald eröffnen würden. Die Wände mussten neu gestrichen werden, sie musste das ganze Lokal renovieren.
Sie dachte einen Moment lang an die neuen Farben und Akzente, die ihr Restaurant verwandeln würden, als plötzlich jemand an die Scheibe des Panoramafensters klopfte. Die Onkel waren wieder da. Sie rauchten Zigaretten und spähten in die Gaststube. Bei ihrem Anblick drehte sich Elsa der Magen um. Der Dicke winkte sie zur Tür. Seinefleischigen kurzen Finger hielten den Gehstock umklammert. Elsa schloss die Tür auf und streckte den Kopf nach draußen.
»Guten Morgen«, sagte er laut und fast so zuckersüß wie am Abend zuvor, gerade so, als wäre er ein alter Freund. »Hören Sie, die Spiegel, die Sie uns versprochen haben, können wir gut gebrauchen. Die anderen haben wir bereits an einen Freund verkauft. Sie gefielen ihm sehr gut. Wir haben nicht so viel dafür bekommen, wie Sie gesagt haben, doch wenn wir ihm auch noch die anderen bringen, wären die Unkosten für Pisti fürs Erste gedeckt. Haben Sie was dagegen, wenn wir die Spiegel mitnehmen?«
Er lächelte.
Elsa erwiderte sein Lächeln nicht. Sie hatte das untrügliche Gefühl, dass man sie hereinlegte, wurde aber immer noch von einem Schuldgefühl geplagt.
»Einen Moment«, sagte sie.
Sie bückte sich, nahm die Spiegel hoch und gab dem Maibaum einen nach dem anderen, bis er den ganzen Stapel im Arm hatte. Während der Spiegelübergabe wurde kein Wort gesprochen. Doch als sie ihnen die Tür vor der Nase zumachen wollte, gelang es dem dicken Onkel, seinen Stock zwischen Tür und Angel zu rammen, sodass die Tür wieder aufsprang.
»Die Frage ist mir peinlich«, sagte er und schob sich ins Restaurant. »Aber hätten Sie zufällig noch einen Spiegel? Nur um auf Nummer sicher zu gehen? Ich hab Angst, den weiten Weg nach Budapest zu fahren und dann feststellen zu müssen, dass uns im Krankenhaus ein paar Forint fehlen. Man wird uns postwendend zurückschicken, wenn wir am dringendsten gebraucht werden, wenn ohne uns gar nichts geht. Ich weiß, Fräulein, dass ein paar Forintnicht viel sind, aber wir sind zur Zeit nicht imstande zu arbeiten. Wir hatten Arbeit im Zoo, aber weil wir Pisti so oft im Krankenhaus besuchen mussten, haben wir so viele Stunden gefehlt, dass sie uns entlassen haben. Wenn Sie etwas anderes haben, wäre das genauso hilfreich. Irgendwas Kleines, was Sie leicht entbehren können. So was haben Sie doch sicher.«
Elsa verkniff sich eine spöttische Bemerkung. Langsam wurde sie wütend. Seine übertriebene Liebenswürdigkeit konnte den hungrigen Blick nicht verschleiern, mit dem er erst sie und dann die Gaststube Zentimeter für Zentimeter abtastete. Sie sah seinen Blick bei den Stühlen verweilen, sah seine Lippen feucht werden, während er die Stühle im Stillen zählte. Seine Habgier stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Diese Unverfrorenheit schockierte Elsa. Sie war krass und widerwärtig. Elsa fühlte sich angeekelt. Zum Kämpfen war sie emotional zu ausgelaugt. Sie wollte nur noch, dass sie endlich gingen.
Sie blickte sich in der Gaststube um und sah sich alles genau an. Bestimmt gab es da irgendetwas, mit dem sie das Duo zufriedenstellen konnte.
»Können Sie Kerzen gebrauchen?«, fragte sie. »Wie wäre es mit den Kerzenständern?«
Der dicke Onkel nickte und verzog sein Gesicht zu einem breiten Lächeln, das dort plötzlich gähnte wie ein Spalt in der Erdkruste. Er leckte sich hungrig über die Lippen und strich sich über sein stoppliges Kinn.
»Also letzte Woche hab ich im Krankenhaus einen Freund getroffen, der welche für die Hochzeit seiner Tochter braucht. Dem können wir sie sicher verkaufen.«
Elsa seufzte, trat beiseite und ließ sie eintreten. Sie waren widerwärtig, das stimmte, aber sie kümmerten sich umPisti, und sie hatten dafür gesorgt, dass er ins Krankenhaus gekommen war.
»Nehmen Sie sie mit«, stieß sie hervor. »Sie gehören Ihnen.«
Die Männer stürzten wie die Wilden in die Gaststube. Sie
Weitere Kostenlose Bücher