Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
wahrhaben willst: Dein Herz gerät auf deutliche Abwege."
"Ich werde dir folgen und dich unterstützen", sagte Elisa. "Alles andere geht dich nichts an."
"Du kannst ihn sehen", gab Elmor ihrem Wunsch statt. "Ich bezweifle allerdings, dass ein Gespräch möglich ist."
Sie wandte sich von ihm ab, um deutlich zu machen, dass sie ihre Unterredung als beendet betrachtete. Und Elmor geleitete sie daraufhin schweigend aus dem Raum. Sie gingen gemeinsam die Treppe hinunter, in den Keller des Hauses, während Elisa feststellte, dass ihrem Begleiter ein leichtes Hinken von der gestrigen Verletzung geblieben war. Dass er überhaupt noch ohne ersichtliche Schmerzen auf seinen Beinen stand, war schon verwunderlich. Der alte Kater hatte wohl seine sagenhaften neun Leben noch nicht ausgeschöpft. Die Tür, hinter der er sie beim letzten Treffen erwartet hatte, war diesmal verriegelt. Er sperrte sie mit einem Schlüssel auf.
Die spärliche Einrichtung des Kellerraumes hatte sich nicht verändert. Der Ofen in der Raumecke verbreitete eine behagliche Wärme, doch der größte Teil des Zimmers war kahl. Die Öllampe am Boden war angezündet, sodass ein flackerndes, gelbliches Licht den Raum ein wenig erhellte. Elisa trat näher an den vor dem Ofen liegenden Teppich heran. Robert lag mit dem Rücken zu ihnen, die schwarze Kapuze über dem Kopf und die Hände gefesselt. Seine Füße waren nackt und schmutzig. Als sie bis auf etwa einen Meter herangekommen war, erkannte sie, dass es sich bei dem Schmutz hauptsächlich um trockenes, verkrustetes Blut handelte. Auch seine Kleidung und seine Hände waren damit besudelt. Zum ersten Mal sah sie diese Hände ohne Handschuhe und sie konnte sich einer gewissen Bestürzung nicht erwehren. Diese Narben kündeten von extremen Verletzungen. Dies war also der Schmerz gewesen, den sie bei seinem Handschlag gespürt hatte.
Dass ihr plötzlich Jolin in den Kopf kam, versetzte ihr einen zusätzlichen Stich. Dieses Kind war nicht mehr dasselbe gewesen, als es nach langen Jahren unvermutet zu ihr zurückkam. Es schien, als hätte eine starke, erbarmungslose Hand jeglichen Lebenswillen aus ihr herausgepresst. Stumpfe Augen, toter Geist. Nichts als den schwarzen Tod in ihrem Herzen.
Elisa wandte sich mit einer entschlossenen Drehung zu Elmor um.
"Was hast du mit ihm getan?" fragte sie, anklagend und herausfordernd zugleich. Sie verspürte nicht die geringste Angst vor ihm, diesen Fels, der Seelen zermalmen konnte. Er schüttelte leicht den Kopf, so etwas wie Besorgnis war aus seiner Mimik zu lesen, doch in seinen Augen erkannte sie eine Spur von Hohn.
"Elisa", sagte er in warmem Ton. "Ich verstehe, deine Gefühle. Doch lasse sie zu deinem eigenen Wohl nicht über dich herrschen."
"Ich möchte eine Antwort", beharrte Elisa.
"Ich werde dir antworten", erwiderte Elmor. "Doch zuerst möchte ich dies nochmals in Erinnerung rufen: Das Leben des einen Ungeborenen und dessen Nachfahren gabst du mir, ohne, dass du mir zum damaligen Zeitpunkt oder von da ab in Zukunft jemals dieses Recht verwehren wolltest."
"Ich widerrufe das nicht", gab Elisa recht unwirsch zurück. "Aber ich habe dir niemals versprochen, keine Fragen zu stellen."
"Ich habe ihm keine Verletzungen zugefügt", erklärte Elmor weiterhin in diesem ruhigen, einnehmenden Ton. "Das Blut auf seiner Kleidung ist nicht sein eigenes. Doch er hat versucht, sich mir zu widersetzen, indem er sich selbst Schaden zufügte. Ich habe ihn mehrfach davor gewarnt. Er hat nicht auf mich gehört. Dies ist nun das Ergebnis: Er ist nicht mehr ansprechbar und kann nicht aufstehen. Ich weiß nicht, was du hier bei ihm willst, aber es ist fraglich, ob er dich überhaupt wahrnimmt."
"Ich möchte fünf Minuten mit ihm allein sein", forderte Elisa unbeirrt. "Danach stehe ich dir zur vollen Verfügung."
"Gut", gab Elmor ihrer Forderung nach. "Wenn dies dein Wunsch ist."
Er zog sich zurück und schloss die Tür hinter sich. Kurz darauf hörte sie seine Schritte auf der Treppe. Elisa drehte sich wieder zu Robert herum und ließ sich neben ihm auf dem Teppich nieder. Im selben Moment, als sie die Augen auf den Gefangenen richtete, spürte sie die Anwesenheit einer ihrer unsichtbaren Freunde, der still über ihnen beiden in der Luft verharrte, beinah wie ein schützendes Schild. "Hier ist Elisa", sagte sie, während ihr Blick auf den entstellten Händen ruhte, die nur wenige Zentimeter von ihr entfernt mit Seilen auf seinem Rücken fixiert waren. "Ich möchte dich
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