Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Herr ihn davon abhielt. Und er wusste in seinem Herzen, dass nichts für ihn selbst zu befürchten war, trotz der beängstigenden Erscheinungen, die seine Sinne traktierten und ihm bis ins Mark drangen. Herr, was wirst du tun? fragte er still, inmitten des Chaos von archaischen Worten und schmerzenden Schwingungen.
Eine Gegenwehr von Robins Seite war nicht zu sehen, er stand stumm und leblos da. Aber irgendetwas Unsichtbares musste auch von ihm ausgehen, denn Robert kämpfte sichtlich gegen ihn an, jeder weitere Schritt nach vorn schien ihm Kraft zu kosten als wate er durch meterhohen Schlamm, in seinem Gesicht zeichnete sich deutlich die Anstrengung ab. Jesco hätte gern eingegriffen. Die Sorge um den schrecklich starr dastehenden Robin nahm zu und begann, ein Stück weit den inneren Frieden zu verdrängen. Der Impuls, einzugreifen kam wieder auf, verstärkte sich. Bitte, Herr, tu etwas, flehte er und blieb stehen, wo er war.
Die Bewegungen von Robins Kopf wurden heftiger, er ruckte auf dem Hals hin und her. Dann begannen, auch die Schultern und Arme zu zucken. Bevor Robert den jungen Mann erreichen konnte, wich dieser einen unbeholfenen Schritt nach hinten aus, dann einen weiteren. Roberts Schritte verloren indes an Kraft, er griff sich mit einer Hand an den Kopf, wankte. Der Drang, diesen seltsamen Kampf endlich zu beenden, übermannte Jesco und trieb ihn jetzt doch nach vorn. Ein paar hastige Schritte nur und er stand zwischen den beiden Männern, wie schon einmal zuvor. In der Hoffnung auf Gottes Beistand wollte er ein Bollwerk gegen die zerstörerischen Mächte sein, die sich hier begegneten.
Wie eine mächtige Welle stieß etwas gegen seinen Körper, spülte über ihn hinweg und riss ihn von den Beinen. Er prallte zuerst mit dem Steißbein auf, dann konnte er den weiteren Sturz nach hinten gerade noch mit den Armen abfangen. Dabei verdrehte er sich das Handgelenk, das mit einem heftigen, ziehenden Schmerz reagierte. Für einige Augenblicke war Jesco mit den Schmerzen in Steißbein und Handgelenk so sehr beschäftigt, dass er nichts mehr von dem mitbekam, was um ihn herum vorging.
Als er endlich den Blick wieder hob, um sich umzuschauen, sah er Robin mit steifen Schritten an sich vorübergehen, sich ungelenk, beinah vornüber kippend, über das Gepäck beugen und aus Roberts nassem abgelegten Mantel etwas hervorziehen. Die Schwingungen in der Luft waren kaum noch auszuhalten, sie hämmerten von allen Seiten auf Jesco ein, sodass er sich wunderte, wie er sie für diese wenigen Sekunden hatte vergessen können. Das Flackern in der Luft um ihn herum war noch stärker geworden, als sei der Raum angefüllt mit tanzenden Gespenstern, die als Schatten aus den Augenwinkeln in ständiger Bewegung wahrnehmbar waren. Doch Roberts Stimme war verstummt und Jesco sah ihn auch in diesem Moment nicht.
Robin kam zurück, wie von fern gesteuert, die Mimik weiterhin ohne Ausdruck. Jesco durchfuhr ein kalter Schauer, als Robin auf ihn zu schritt, denn ihm kam der Gedanke, Robin sei, obwohl noch in Bewegung, bereits tot. Dann streckte sich Robins Hand zu ihm herunter, die schwarze Kapuze haltend.
Die Stimme, die erklang, erinnerte nur entfernt an Robins. Sie war tiefer, ohne den Akzent. Stattdessen lag ein fremdartiger, mechanisch anmutender Unterton darin.
„Hilf mit, diesen Lärm zu beenden.“
Jesco nahm die Kapuze zunächst nicht entgegen. Er stand vom Boden auf, sich das geschwollene Gelenk haltend, und blickte dem vor ihm Stehenden forschend in die Augen. Dort fand er bestätigt, was als Vermutung in ihm aufgekeimt war: Er hatte nur noch Robins Körper vor sich, gesteuert von einem ihm fremden Wesen. Auf seiner Wanderschaft mit dem Prediger hatte er bei den Menschen, die ihnen begegneten, unterschiedliche Arten dämonischer Belastungen erlebt, aber so eine vollkommene Inanspruchnahme hatte er nie gesehen oder nur für möglich gehalten.
„Wer bist du?“ fragte er das Wesen, um Zeit zu gewinnen, sich wieder aus der Verwirrung zu fangen.
Die Antwort war schroff. „Eurer Sprache fehlt zu viel Sinn und Leben, als dass ich meinen Namen in ihr sprechen wollte.“ Dann streckte sich ihm Robins Hand mit der Kapuze erneut entgegen, diesmal mit mehr Nachdruck. „Erlöse ihn und uns von diesem Lärm.“
Ja, die Erscheinung, die sein seltsamer Gesprächspartner als „Lärm“ betitelte, machte Jesco schwer zu schaffen. Sein Kopf schien im selben Maß zu hämmern und zu dröhnen wie die Vibrationen um ihn herum. Und
Weitere Kostenlose Bücher