Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
sein“, sagte Sirus. „Aber ich gebe euch mein Wort, dass ihr meine Herrschaft spüren werdet.“
Sirus einte das Volk, es glaubte an ihn. Er stellte ein Heer auf, wies durchziehende Räuber in die Schranken und sicherte die Grenzen. Eine allgemeine Rechtsprechung hielt Einzug, mit zwar strengen Strafen, doch als gerecht empfundenen Gesetzen. Die Sicherheit im Lande Ur nahm zu, die Engelskulte fanden einen nie da gewesenen Höhepunkt. Doch vor allem mehrte Sirus das Wissen, ließ Schriften aus allen Erdteilen zusammentragen und beschäftigte eine große Zahl Übersetzer. Vor allem die Erforschung der geistlichen Welt lag in seinem Interesse. So ließ er Magier und Schamanen von überall her zu sich an den Hof kommen, von allen nur die mit dem einschlägigsten Ruf.
Sirus ließ sich niemals einen Palast bauen, wie die übrigen Herrscher dieser Welt. Nein, er baute eine verborgene Bibliothek im Innern der Erde. Man sagt, seine Engel halfen bei der Errichtung. Und Sirus sorgte dafür, dass von den wichtigen Dokumenten zahlreiche Abschriften erstellt wurden, die Verbreitung in kleineren Bibliotheken im ganzen Lande fanden. Alle Menschen, ob arm oder reich, Mann oder Frau, wurden im Lesen und Rechnen unterwiesen. So hatte jeder Bürger Urs Zugang zu aller Weisheit aus alter und neuer Zeit.
Als sich der Ruhm des Königs über den Erdenkreis verbreitete, strömten Nephilim, die aus Legenden bekannten, riesenhaften Engelssöhne, von überall her zu ihm. Sirus stellte aus ihnen ein Heer zusammen, das die Welt nie zuvor gesehen hat. Dann begann eine allmähliche Erweiterung des Landes, die Grenzen wurden täglich neu gesteckt. Die wilden Nachbarsvölker beugten sich der schieren Übermacht und wurden von der neuen, vorwärtsstrebenden Kultur integriert. In Ur übernahm man die segensreichen Erfindungen der besiegten Länder, so nahm die Kultivierung des Landes ihren Anfang. Ackerbau und Viehzucht breiteten sich aus, die großen Höfe der Sippen wurden durch hohe Mauern und Zäune vor Raubtieren geschützt. Auch das Handwerk und die Künste erblühten, in dem Maße, wie das Wissen über die benötigen Techniken zunahm und die Menschen ihren inneren Schaffensdrang entdeckten.
Das Land Ur erlebte einen gewaltigen Sprung in seiner Zivilisation. Die religiösen Gemeinschaften wurden fester, es entstanden umfassende, gesellschaftliche Strukturen. Die Einführung eines ersten Zahlungsmittels stiftete zuerst einige Verwirrung, doch bald entwickelte sich ein reger Handel. Auf dem Boden des neu eingeführten Bildungskonzepts wuchs die menschliche Erkenntnis sprunghaft an. Die Bürger Urs verstanden sich immer mehr als Teil der sichtbaren und der unsichtbaren Welt zugleich. Ihre Augen waren weit geöffnet, der geistliche Dämmerschlaf überwunden.
Überall im wachsenden Königreich spürte man tatsächlich deutlich Sirus' Wirken. Doch gründete sich des Königs Ruf nicht in der Hauptsache auf all die weltlichen Verbesserungen: Allerorts pries man die Herrlichkeit seines Throns, denn dieser wurde in steter Treue von zwei Engeln flankiert, die sich allen Besuchern des Königs für wenige Sekunden in Licht und Pracht zeigten. Auf diese Weise gingen nicht nur die Bewunderer, sondern auch die wenigen Feinde des Königs vor ihm auf die Knie. Die Namen der beiden Engel waren für menschliche Zungen unaussprechlich, doch die mächtigen Wesen waren dem König derart Untertan, das sie sich von ihm neu benennen ließen. El-urius und Ami-el, diese Namen flüsterte man sich im gesamten Reich ehrfürchtig zu. Niemand konnte dem Zauber dieser Kreaturen widerstehen. Und so kam es, dass auch der König vom Volk einen neuen Namen erhielt, einen Titel, der die Mächtigen der Welt vor Ehrfurcht erschauern ließ. König Sirus wurde von nun an, in Stadt und Land, der „Vater der Engel“ genannt, denn er war der Kanal für das lebendige Wirken und Wandeln zahlreicher, mächtiger Geistwesen in dieser Welt. So zeigte das neu erstellte Wappen Urs auch zwei Engel, nicht mit Flügeln, wie sie in modernen Zeiten symbolhaft dargestellt werden, sondern als starker Männer mit langem Haar und schönem Antlitz. Sie standen sich gegenüber, Auge in Auge, und hielten die Krone des Königs zwischen sich, hoch über ihren Köpfen.
Die Flagge des großen Königs wehte über sechzig Jahre lang auf allen Türmen des sich ausbreitenden Reiches. Zu damaligen Zeiten betrug die übliche Lebensspanne noch einige hundert Jahre, sodass Sirus noch lange kein alter Mann
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