Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
So kannst du also von ihm reden, was auch immer du willst.“
Ami-el lachte fröhlich und schüttelte dabei die flammenden Locken, wie loderndes Feuer. Robert fragte sich, ob Robin schon vorher ein derart ebenmäßiges Gesicht und solch schmale, gelenkige Finger gehabt hatte. Oder schritt vor seinen Augen die Veränderung des besetzten Körpers immer weiter voran?
„Es gibt zahlreiche, lebende Zeugen“, erklärte der Geist voll Freude. „Aber an ihren Aussagen würdest du ebenso zweifeln wie an meiner. Vielleicht wirst du später Gelegenheit haben, mit dem König selbst zu sprechen. Eine Möglichkeit für dich, alle offenen Fragen zu klären.“
Diese letzte Botschaft erreichte Robert. Er spürte, wie das alte Verlangen in ihm aufkam, aus einer glaubwürdigen Quelle mit Informationen versorgt zu werden, endlich mehr wissen zu dürfen. Er war es leid, sich selbst ein Rätsel zu sein.
Ami-els Blick verriet ihm, dass der Dämon wusste, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
„Habe ich nun deine Aufmerksamkeit?“ fragte er Robert mit einem leichten Augenzwinkern.
„ Für den Augenblick ja“, gab Robert geradeheraus zu.
In diesem Moment trat mit entschlossenem Schritt Jesco hinzu.
„Ich bin auch dabei“, sagte er. „Und Gott, der HERR sitzt mit am Tisch.“
Damit setzte er sich zu ihnen. Robert stellte mit einem kurzen Blick fest, dass die Farbe langsam in Jescos Gesicht zurückkehrte. Irgendetwas hatte sich bei seinem Begleiter innerhalb der letzten Minute getan, das ihm neue Sicherheit gab.
„Bist du dir sicher, Jesco?“ forschte Ami-el freundlich schmunzelnd nach. „Ich habe IHN lang nicht gesehen.“
„ Dann schau mal richtig hin“, gab Jesco energisch zurück und sah dem Wesen dabei direkt in die Augen. Von ihm ging eine Kraft aus, die Robert in einigen Situationen bereits zuvor beobachtet hatte und die für ihn schwer zu beurteilen war. Jesco zeigte manchmal erstaunlichen Mut, wirkte aber dann plötzlich wieder seltsam inkonsequent. Wie auch immer: Intuitiv schien es ihm gut, dass Jesco jetzt dabei war, obwohl er nie jemand gewesen war, der Schützenhilfe beanspruchte.
Der Vater der Engel
Sirus war ein Junge aus dem gemeinen Volk, in einer Zeit, da das Land Ur noch nicht als Einheit existierte. Götzenpriester verschiedener Kulte taten sich für einzelne Volksgruppen als Führer hervor, fanden manchmal einen Erben, der den Ritus weitertrug, und vergingen wieder. Ein großer Teil des Landes war zumeist ohne feste Herrschaft. Durchziehende Räuber und Plünderer hatten oft ihr Leichtes, darum lebte man im Lande Ur in ständiger Unsicherheit, jederzeit Leben und Eigentum zu verlieren. Doch auf gutem, mit reichlich Sonne und Regen verwöhnten Boden, wuchs alles, was der menschliche Magen brauchte. Auch die Jäger hatten ihren Teil an dem großen Reichtum des Wildes. Ackerbau und Viehzucht war kaum bekannt, weil die Natur in ihrer Überfülle auch ohne Kultivierung mehr als das nur zum Leben Notwendige bot. Aber wie um diese Annehmlichkeiten zu verderben, streiften allerlei Raubtiere im Land umher, von denen viele kräftig genug waren, auch Menschen anzufallen. Die Jagd oder das Sammeln von pflanzlicher Nahrung war deshalb auch für Gruppen mehrerer Männer gefährlich und wurde oftmals zu einer Unternehmung ohne Wiederkehr.
Man lebte in großen Familien in allerlei selbst gebauten Hütten aus Lehm, Holz oder Stein. Im Gebirge machte man sich die Höhlen zu Nutze, um in ihnen zu hausen. Das Leben war urtümlich. Die Sippen bildeten feste, sich selbst vorsorgende Gemeinschaften, pflegten soziale Kontakte zu anderen Familien und ihre einzige Handelstätigkeit bestand aus gelegentlichem Tausch von Kleidungsstücken, Baumaterial oder selbst gefertigten Geräten. Die einzelnen Dörfer waren zwar so angelegt, dass sie möglichst leicht zu verteidigen waren, doch hatten die Bewohner mit ihren primitiven Waffen oft keine Chance gegen brutale Eindringlinge. Bei einem Angriff von außen kam die Unterstützung der befreundeten Sippen oft zu spät.
Die Menschen in Sirus' Jugendzeit lebten ihre oft kurzen Leben nicht nur in Naturverbundenheit, sie hatten auch einen stärkeren Zugang zur unsichtbaren Welt, als man ihn in heutigen Zeiten kennt. Für sie bedeutete es einen normalen Bestandteil des alltäglichen Lebens, die Anwesenheit von Geistern zu erspüren und über niedrige Geistwesen Macht auszuüben. Die wirklich mächtigen Kreaturen der geistlichen Welt schienen ihnen jedoch unerreichbar fern,
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