Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Ein unbändiger, muskulöser Riese.
Sie sahen sich wieder an und Elisa merkte deutlich, dass er trotz seiner Einsilbigkeit dieses kurze Treffen noch nicht beenden wollte. Er hielt das Halfter locker in der linken Hand und machte keine Anstalten, sich abzuwenden und zum Koppeltor zu gehen.
Doch sie fand, dass es an der Zeit für ihn wurde, seinen Stolz zu überwinden und selbst das Wort aufs Neue zu eröffnen. Ihr lag nichts daran, ihm jede Antwort buchstäblich aus der Nase zu ziehen. So blieb sie diesmal stumm und musterte ihn unverhohlen von Kopf bis Fuß. Seine Kleidung war wetterfest und sicher nicht gerade billig, doch äußerst schlicht. Die braunen Handschuhe wiesen einige dunkle Flecken auf. Er trug keine Kopfbedeckung und seine dunklen Haare waren kurzgeschnitten. Allein dieses Gesicht war es, das sicher nicht nur Elisas Blick magisch anzog. Er war hellhäutig und die schwarzen Augen standen dazu in einem herben Kontrast. Elisa würde es niemals eingestehen, dass der erste Anblick dieser Augen, die den ihren so ähnlich waren, einen tiefen Schmerz in ihrem Herzen ausgelöst hatte, der in diesem Moment schlagartig wieder in ihr Bewusstsein drang.
Ob sie es wollte oder nicht, die Erinnerung an jene fernen Tage, als Elmor ihr Kind zu sich genommen hatte, blieb unauslöschlich in ihr. Und das war der Grund, warum sie dem Mann, der sich Robert Adlam nannte, eigentlich niemals hatte begegnen wollen. Er brach das Schweigen zwischen ihnen.
„ Elisa“, sagte er. „Du bist nicht gekommen, um mit mir über Clara Neuberg oder mein Pferd zu reden.“
Er ließ das „Sie“ beiseite. In Wahrheit waren sie einander nicht fremd.
„Du hast Recht“, antwortete sie. Dann verstummte sie wieder. Sie hatte das Gefühl, sich innerlich zu sehr in diese Sache verstrickt zu haben, um ihr eigentliches Anliegen glaubhaft an den Mann zu bringen.
Er wartete einige Sekunden. Als nichts mehr von ihr kam, wandte er sich ab und hatte mit einigen schnellen Schritten das Tor zur Weide erreicht. Er öffnete es und trat zu dem ungeduldig wartenden Hengst, der die dichte, schwarze Mähne schüttelte, bevor sein Herr ihm mit einigen geübten Handgriffen das Halfter überstreifte. Ihre Blicke waren ihm gefolgt.
„Robert“, sagte sie plötzlich und ihre Stimme klang laut und hart.
Er wandte den Kopf zu ihr.
„Hat er dir die Geschichte erzählt?“ fragte sie.
„ Nein“, antwortete er. „Kein Wort.“
„ Wieso bist du dann hier?“ wollte sie weiter wissen.
„ Er hat alles aufgeschrieben“, sagte er.
„ Und wo ist er nun?“ fragte sie weiter, obwohl sie die Antwort auf diese Frage offensichtlich besser kannte, als er.
„ Vielleicht tot“, erwiderte Robert. „Wenn nicht, dann könnte er sich überall aufhalten.“
Er machte eine Pause, strich dabei dem Pferd über den glänzenden Hals und prüfte den Sitz des Halfters. Mit gesenkter Stimme fügte er erst nach einer geraumen Weile hinzu: „Zum Beispiel hier.“
Elisa beobachtete, wie er das Pferd, das den Kopf nun stolz erhoben hielt, von der Koppel führte. Er kam direkt zu ihr und blieb abermals vor ihr stehen.
„ Du schweigst?“ fragte er und bedachte sie mit einem derart finsteren Blick, dass es Elisas Seele wie ein Schwert durchfuhr und ihr Inneres erschauerte. Nur ihrer ausgeprägten Selbstbeherrschung war es zu verdanken, dass sie dem unerwartet starken Angriff standhielt. Nun bekam sie eine kleine Probe dieser Kraft zu spüren, die zu fühlen ihr beim Händedruck verwehrt geblieben war. Nach allem, was Elisa in ihrem Leben begegnet war, hatte sie es kaum für möglich gehalten, dass sie irgendetwas noch auf diese Weise innerlich erschüttern konnte.
Sie straffte sich, hob das Kinn und verengte die Augen. Und sie antwortete noch immer nichts.
„Dann“, sagte er, „schweig von mir aus für immer.“
Damit drehte er sich um legte die Hände auf den Rücken des Pferdes und stemmte sich mit einem kräftigen Ruck hinauf. Sie hob den Blick zu ihm, über den Kopf des unruhig stampfenden Hengstes hinweg.
„Ich denke,“, stellte sie mit mühsam beherrschter Stimme fest, „du wünscht dir sehr, er sei tot.“
Er zog die Zügel straff an, sodass das Pferd mit seinen breiten Hufen auf der Stelle trat. Elisa hielt kurz inne, kostete den Moment der Spannung vor ihren folgenden Worten weidlich aus. Der Hengst stieß ein weiteres dumpfes Schnauben aus. Sie hatte sich das Katz-und-Maus-Spiel vor ihrer Nase absolut nicht gewünscht. Doch hatte es auch ohne ihr
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