Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Elurius (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
Vom Netzwerk:
es gut und fachkundig. Das Tier stand auf einer eigenen Weide, die von der Straße nicht einsehbar war. Baumreihen und eine lang gezogene Scheune versperrten die Sicht. Elisa ging zielstrebig um die Scheune herum. Sie erblickte das schwarze Pferd grasend am anderen Ende des eingezäunten Areals.
    Robert Adlam zu sich nachhause einzuladen, war für sie nicht in Betracht gekommen. Sie wollte keinen näheren Kontakt zu ihm. Sie hatte in all den Tagen, die er sich bereits hier aufhielt, nicht einmal ein Wort mit ihm gewechselt. Allerdings konkurrierte der Wunsch, Abstand zu ihm zu halten, mit einer nagenden Neugier in ihrem Inneren, die sie nicht zurückzudrängen vermochte. Ihr Schicksal war mit seinem verbunden, das war nicht abzustreiten. Und genau das war ohne Frage auch der Grund, warum es ihn hierher gezogen hatte.
    Sie legte die Hände auf das hölzerne Gatter, den Blick auf den schwarzen Hengst gerichtet. Mähne und Schweif des Tieres waren dicht und lang und verliehen dem Äußeren etwas Wildes. Deutlich konnte sie sogar auf die Entfernung unter dem glänzenden Fell starke Muskeln erkennen. Elisa würde es nicht langweilen, dieses Tier einfach nur zu betrachten, selbst wenn es Stunden dauerte, bis sein Besitzer eintraf. Er kam nie zur selben Uhrzeit her, das hatte sie von der Bäuerin erfahren. Doch war es zumeist vormittags zu relativ früher Stunde.
    Es verging tatsächlich nur wenig mehr als eine halbe Stunde, bis Elisa hinter ihrem Rücken Schritte nahen hörte. Es waren kräftige, selbstsichere Schritte von einer Person, die sie zwar mit Gewissheit bereits wahrgenommen hatte, die jedoch ohne Zögern stetig direkt auf sie zuhielt. Die wenigsten Menschen, auf die sie in ihrem bisherigen Leben gestoßen war, ließen sich von ihrem Anblick nicht einschüchtern. Sie drehte sich um und sah ihm entgegen.
    Er blickte ihr sofort geradewegs in die Augen und blieb kurze Zeit später vor ihr stehen. Sie reichte ihm die Hand. Es handelte sich um keine bloße Höflichkeit zur Begrüßung. Sie konnte oft mehr über einen Menschen erfahren, wenn sie ihn direkt berührte. Und in diesem Fall wäre es ihr nur recht zu spüren, welche Stärke wirklich in ihm lag. Sie war enttäuscht zu sehen, dass er Handschuhe trug, obwohl es heute bereits um einige Grad wärmer war, als in den letzten Tagen. Der Druck seiner Finger war nicht so fest, wie sie es erwartet hatte. Elisa spürte dabei einen merkwürdig schmerzhaften Stich in ihrem Inneren, den sie sich nicht erklären konnte. Sonst empfing sie nichts von ihm. Wahrscheinlich lag dies an dem dicken Leder der Handschuhe. Oder er blockte sie ab. Seine Augen blieben für die Zeit eines Lidschlags an dem Ring an ihrem Finger hängen.
    „Meinen Namen brauche ich Ihnen nicht mehr zu nennen“, sagte sie. „Obwohl wir uns bisher noch nie gesprochen haben.“
    „ Was verschafft mir die Ehre, Frau Sleyvorn?“ fragte er ohne Umschweife.
    Sie wusste, dass er erst sechsundzwanzig Jahre alt war, doch die starke Präsenz, die sie fühlte, war die einer sehr viel reiferen, mental gefestigten Person. Allerdings lag in seinem Blick mehr Kälte, als der nun langsam vergehende Winter jemals erzeugen konnte. Diese Tatsache machte sie umso neugieriger. Sie beschloss, das Gespräch nicht unnötig kurz zu halten.
    „Sie scheinen sich ganz gut eingelebt zu haben, an unserer etwas unwirtlichen Küste“, meinte sie und zeigte ihm dabei ein kleines, ironisches Lächeln.
    „ Ich kann mich nicht beklagen“, war seine knappe Antwort.
    „ Außerdem habe ich gehört,“, fuhr Elisa fort, „dass Clara Neuberg ihre schwere Krankheit überwunden hat und bereits gestern Abend wieder mit ihrem devoten Lakaien in der Stadt gesehen wurde.“ Sie hob den Kopf ein wenig an. „Mein Eindruck, dass Sie ein weiches Herz für leidende Mitbürger haben, hat mich also nicht getäuscht.“
    „ Möchten Sie eine gut laufende Werft für einen Spottpreis kaufen?“ fragte er zurück. „Sie müssen schnell sein und nur einen Konkurrenten ausstechen.“
    Elisa hob die Brauen. „Das haben Sie von ihm verlangt?“
    Er erwiderte darauf nichts, sondern wandte seinen Blick von ihr ab und sah auf die Koppel hinaus. Elisa drehte sich kurz um und sah den Hengst mit aufgerichteten Ohren und schlagendem Schweif herantraben. Es hatte seinen Herrn erkannt.
    „ Hat dieses stolze Tier einen Namen?“ erkundigte sie sich.
    „ Nein“, gab er zurück.
    Schnaubend und mit dem Vorderhuf scharrend blieb das Tier dicht am Gatter stehen.

Weitere Kostenlose Bücher