Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Messer an Jons Kehle. "Halt!" rief Jesco und im nächsten Moment hatte er den anderen Mann erreicht. Er brachte zur Anwendung, was er in seinem früheren Leben gelernt hatte, packte dem Fremden blitzschnell beim Handgelenk, drehte es herum und hatte ihm nur einen Lidschlag später das Messer entwunden. In Sekundenbruchteilen führte Jesco den altbekannten Automatismus aus und gleich darauf sah sein Gegenüber die Klinge gegen sich selbst gerichtet. Das scharfe Messer befand sich nur Zentimeter vor der Halsschlagader des Fremden.
Ihre Blicke trafen sich.
Jesco konnte weder Angst noch Erschrecken in der Miene des anderen erkennen. Nach einigen Sekunden des stillen Verharrens legte der Mann seine behandschuhte Linke auf Jescos Unterarm und schob mit leichtem Druck die das Messer führende Hand von sich fort. Jesco ließ dies ohne Widerstand zu, denn an Gewaltanwendung war ihm von vorneherein nicht gelegen gewesen.
"Sie machen mir Spaß", sagte der Fremde in einem kalten Ton.
Jesco ließ die Hand mit dem Messer sinken. Doch keiner von ihnen trat einen Schritt zurück.
Jesco forderte mit ruhiger Stimme, doch nicht ohne Nachdruck: "Lassen Sie einfach den Mann in Frieden. Ich werde mich um ihn kümmern."
Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Jons Kopf sich leicht bewegte. Doch noch rührte Jesco sich nicht von der Stelle. Er wollte sichergehen, dass seine Worte angekommen waren.
"Mir ist er egal", war die Antwort. "Er wird Sie umbringen, wenn Sie ihn laufen lassen."
"Daran glaube ich nicht", erwiderte Jesco fest.
Sein Gegenüber verharrte noch einen kurzen Moment wortlos, während allein seine Miene für sich sprach. Sie war finster mit einer deutlichen Spur von Geringschätzung. Dann gab er Jesco den Weg frei.
Jesco blickte herab auf das Messer, das ungewollt nun doch in seine eigene Hand gefunden hatte. Kurz entschlossen drehte er sich um in Richtung der Klippen und schleuderte es mit aller Kraft weit über den schmalen Sandstrand hinaus in die Brandung des Meeres. Als er sich wieder umdrehte, sah er, dass der fremde Mann sich ohne ein weiteres Wort abgewandt hatte und im Begriff war, fortzugehen.
"Sie haben etwas vergessen", rief er ihm nach. Der Wind blätterte eifrig in den Geldbündeln am Boden und drohte, das ein oder andere über den Klippenrand zu wehen.
Der Angesprochene warf einen Blick über die Schulter zurück. "Behalten Sie es", sagte er. Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Für die reife Vorstellung, die Sie geliefert haben."
"Wer sind Sie?" fragte Jesco daraufhin. "Und woher stammt dieses Geld?"
"Robert Adlam. Ich bin ein Freund der Familie Sleyvorn", erwiderte der Mann. "Und über das Geld machen Sie sich keine Sorgen. Es stammt aus einem legalen Geschäft." Damit setzte er seinen eingeschlagenen Weg fort und war gleich darauf verschwunden.
Obwohl dies zweifellos eine der bizarrsten Situationen in Jescos Leben war, hatte er bereits genug erlebt, dass sich seine Verblüffung in Grenzen hielt. Er beschloss, dass es Zeit war, sich dem Verletzten zuzuwenden. Er hatte keine medizinischen Kenntnisse, sodass er einfach tat, was ihm als Nächstes einfiel. Er legte die Arme um Jons Oberkörper und setzte ihn vorsichtig auf. Die Wunde am Hinterkopf konnte er unter den blutverklebten Haaren nicht erkennen, so war die Schwere der Verletzung nicht einschätzbar. Jesco kniete sich neben Jon auf den harten Boden, mit dem einen Arm noch immer den schlaffen Körper stützend. Jons Kinn war auf die Brust herabgesunken. Die Augenlider flatterten, während aus dem Mundwinkel Speichel tropfte.
"Jon?" sprach Jesco seinen ehemaligen Kameraden an. Mit der rechten Hand hob er das Kinn des aus der Bewusstlosigkeit Erwachenden leicht an. Ein neuerliches Stöhnen kam über Jons Lippen.
"Jon?"
Jesco bewegte Jons Kopf vorsichtig hin und her. Ein Zittern fuhr durch den Körper des Verletzten. Die Lider hoben sich ein wenig, doch der Blick ging ins Leere. Jesco musste Jon eine ganze Weile halten und sprach ihn dabei wieder und wieder an. Ihm kam der Gedanke, dass er den Fremden, der sich als "Freund der Familie Sleyvorn" bezeichnet hatte, den Auftrag hätte geben sollen, einen Arzt herbeizu holen. Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass er mit dieser Aufforderung wohl auf Granit gebissen hätte.
Plötzlich kam ein Würgen aus Jons Kehle. Jesco konnte den Kopf des Verwundeten gerade noch rechtzeitig zur Seite drehen, sodass er sich nicht über seine eigene Kleidung erbrach. Am ganzen Körper zitternd
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