Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
einfach in der Patsche."
"Das ist die einzige Form von Gerechtigkeit in dieser Welt", brummte der Wirt. "Patschen und Klemmen sind für alle da, ob sie nun große Tiere sind, oder kleine."
"Sind wir denn selbst so gerecht, dass wir Gerechtigkeit fordern können?" fragte Jesco noch immer ziemlich geistesabwesend zurück.
"Mmh", machte der Wirt und packte die fertig Gezapften auf ein Tablett. "Muss ich drüber nachdenken." Damit ging er und bediente seine Gäste. Jesco ertappte sich selbst dabei, wie er in seinen Krug zu starren begann. Erste Anzeichen von Trunkenheit machten sich bemerkbar.
"Tut mir echt leid", murmelte er so leise in sein Bier, dass es niemand um ihn herum hören konnte. "Wahrscheinlich wolltest du mir nicht sagen: Gönn dir mal vier bis fünf Bier, dann sieht die Welt schon anders aus. Vielleicht vermassele ich das, was immer ich hier soll, völlig. Gibt es hier irgendjemanden, mit dem ich sprechen müsste?"
Nachdem er diese Frage leise ausgesprochen hatte, hob Jesco wieder seinen Blick und sah sich um. Die beiden jungen Damen erhoben sich gerade von ihren Plätzen, während die Gouvernante zahlte. Drei ältere Herren saßen an einem Tisch im hintersten Winkel und genossen eine deftige Mahlzeit. Ein eher derb wirkendes Ehepaar saß sich schweigend gegenüber, der Mann einen Krug Bier vor sich, die Dame ein dampfendes Kännchen heißer Schokolade. Zwei jüngere Männer nahmen einen weiteren Tisch in Beschlag, spielten Karten und erzählten sich Witze. Keine von diesen Personen stach ihm besonders heraus und alle waren für ihn völlige Fremde. Er verspürte nicht den geringsten Drang, sich an irgendeinen ihrer Tische zu setzen, ein Gespräch zu beginnen und Bekanntschaft zu schließen. Doch was um alles in der Welt hatte er sonst hier zu tun?
Die Eingangstür öffnete sich. Mechanisch wandte Jesco den Kopf und erblickte einen jungen Mann um die zwanzig Jahre alt, mit langem, roten Lockenschopf. Das Gesicht, das noch recht jungenhaft wirkte, war von der kalten Winterluft leicht gerötet. Der Mann schaute sich nur kurz in der Gaststätte um, während er schon dabei war, seinen sichtbar schon etwas älteren, schweren Wollmantel abzustreifen. Nachdem er den Mantel mit einer nachlässigen Bewegung über einen der freien Garderobenhaken geworfen hatte, ging er geradewegs zur Theke, nickte Jesco wie einem entfernten Bekannten mit einem Lächeln höflich zu und setzte sich neben ihn auf einen der Hocker. Der Wirt kam mit seinem leeren Tablett herbeigeschlurft. „Guten Abend, junger Mann. Was kann ich Ihnen heute anbieten?"
"Guten Abend, Herr Kalbers", grüßte der neu angekommene Gast zurück. Man hörte an dem leichten Akzent, dass seine Muttersprache eine andere war. "Bringen Sie mir einfach das Tagesgericht. Ich weiß, dass das am schnellsten fertig ist. Und bis dahin wäre ich schon sehr froh über einen großen Krug Bier."
"Ich höre, Sie haben wieder viel Hunger und Durst mitgebracht, junger Mann", stellte der Wirt zufrieden fest. Jesco war sich nicht sicher, ob sein Gesichtsausdruck einfach nur die Freude über das Erscheinen eines guten Stammkunden ausdrückte, oder ob er diesen ihm bekannten Gast besonders mochte. Die zweite Möglichkeit kam durchaus infrage, denn das Erscheinungsbild von Jescos neuem Sitznachbarn war sympathisch und seine Art auf natürliche Weise freundlich. Er könnte einen durchaus angenehmen Gesprächspartner abgeben.
Der Wirt verschwand hinter einer Tür in der Küche. Bald darauf hörte man ihn laut mit einer Frau reden. Jesco wandte sich zu dem rothaarigen jungen Mann. "Sie sind scheinbar öfter hier", merkte er an.
"Ja", war die Antwort. "Ich habe festgestellt, dass man hier gut satt werden kann."
"Das habe ich auch schon aus anderen Quellen gehört", bestätigte Jesco.
"Mein Name ist Robin", stellte sich sein Gegenüber spontan vor und reichte ihm die Hand. Den Händedruck empfand Jesco als angenehm. Robin sah ihm dabei geradewegs in die Augen, mit einem offenen Lächeln auf den Lippen.
"Jesco", stellte Jesco sich vor.
"Ja, ich weiß", erwiderte Robin überraschenderweise. "Jesco Fey, der Maler. Man spricht von Ihnen, hier im Ort."
"Oh", meinte Jesco mit einem Lächeln. "Das hatte ich befürchtet."
"Nein, nicht auf diese Weise", war die Antwort. "Wahrscheinlich wissen Sie gar nicht, wie viele Einwohner stolz darauf sind, einen Künstler am Ort zu haben."
"Wenn sich dieser Stolz auf meine Aufträge niederschlagen würde, dann wüsste ich es", entgegnete
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