Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Jesco. "Wahrscheinlich sind die Einwohner auf dieselbe Weise stolz auf mich, wie auf ein langsam zerfallendes Denkmal." Er sprach diese Worte ohne eine Spur von Groll. Vielmehr amüsierte ihn sein Status als bestaunter Künstler ohne Einkommen sogar ein wenig.
Robin gab ein kurzes, warmes Lachen von sich. "Wenn Sie viele Erben zeugen,", sagte er, "dann werden die vielleicht später reich sein."
Jesco lachte mit ihm. Seine Stimmung stieg in dieser Gesellschaft spürbar. Die dunkle Sorgenwolke hob sich von seinen Schultern.
"Was treibt Sie hierher, Robin?" fragte er seinen neuen Bekannten. "Ich hoffe sehr, Sie sind ein reicher Kunstsammler mit exquisitem Geschmack."
Robin schüttelte seine dichten Locken. "Nein, nein. Ich bin einfach auf der Durchreise und halte mich hier ein paar Tage auf."
Das war keine konkrete Antwort. Jesco wagte eine etwas genauere Frage. "Sind es Geschäfte, die Sie locken? Oder die frische Seeluft? Oder vielleicht ein Mädchen?"
"Ich schlage vor, dass wir uns duzen", meinte Robin daraufhin. "Und über meine Affären spreche ich nicht." Er lächelte breit. Jesco fiel nebenbei auf, dass seinem Gesprächspartner im seitlichen Bereich zwei oder drei Zähne fehlten. Doch dies fiel kaum ins Gewicht.
"Einverstanden", sagte Jesco. "Ich würde gerne mit dir anstoßen, aber leider hast du noch kein Bier - und mein Krug ist leer."
Gerade in diesem Moment kam der Wirt wieder aus der Küche heraus und trat, als hätte er es gehört, an den Zapfhahn, um Robins Bier einzuschenken. Jesco bestellte sich eilends ein Neues. Mit nur leichtem Unbehagen erinnerte er sich daran, dass dies bereits sein Viertes war.
"Weißt du,", begann Jesco, als er nach einiger Zeit seinen frischen Krug in der Hand hielt und der Wirt wieder in der Küche verschwunden war, "ich bin nicht durch reinen Zufall hier. Ich bin auf der Suche nach einer Freundin von mir. Ich habe Gott gebeten, mir zu helfen und er hat mich hierher geführt."
Etwas unbehaglich war ihm bei diesen Worten schon zumute, obwohl er mit seinem Bekenntnis normalerweise nicht zurückhaltend war. Sein Sitznachbar blickte ihn stumm aber gleichbleibend freundlich an, als warte er auf weitere Erklärungen. "Mir ist klar, was du denkst", fügte Jesco nach einer kurzen Pause an. "Die meisten Männer, deren Mädchen auf die eine oder andere Weise verschwinden, werden von Gott auf rätselhafte Art in die nächsten Kneipe geführt, wie?"
Robins Lächeln breitete sich bei diesen Worten abermals über sein Gesicht aus. "Ich fühle mich ertappt", gab er zu.
"Und leider erfülle ich das Klischee nur allzu gut, indem ich hier sitze und trinke", meinte Jesco weiter. "Doch ich bin nicht hergekommen, um zu trinken. Als ich Gott um Hilfe bat, da zeigte er mir vor meinem inneren Auge den Wirt dieser Gaststätte. Ich hatte das Gefühl, hier einen Hinweis zu erhalten, wie und wo ich Tadeya finden kann. Und ob sie gesund ist."
Robins Gesichtsausdruck wurde bei Jescos letzten Worten deutlich ernster.
"Passiert dir so etwas öfter?" fragte er ohne Spott in der Stimme.
"Ich habe Gott mein Leben gegeben", erwiderte Jesco. "Seitdem bekomme ich Antwort, wenn ich zu ihm spreche. Er ist für mich so greifbar, wie mein Krug Bier."
Er legte, um seine Worte zu veranschaulichen, beide Hände um den Krug vor sich und presste sie zusammen. "Nicht zu leugnen,", stellte er fest, "dass dieser Krug real ist."
"Mein Stiefvater hat auch geglaubt", erwiderte Robin. "Er hat ständig gebetet. Aber er hat mir nie davon erzählt, dass er auch Antwort bekam."
Etwas im Gesichtsausdruck seines Gegenübers sagte Jesco, dass die Erinnerung an den Stiefvater ihm nicht behagte. Eine leichte Verhärtung der Mimik fiel ihm auf. Robins zuvor so offener Blick kehrte sich für eine Weile wie nach innen.
Nach einer kurzen Weile des Schweigens meinte Jesco: "Wir haben in selbst gewählter Verbannung einfach das Hören verlernt."
Robin lehnte sich auf seinen Stuhl leicht zurück.
"Sei mir bitte nicht böse", sagte er. "Erzähle mir lieber von deinem Mädchen."
Jesco atmete einmal tief durch.
"Verzeihung", meinte Robin sofort. "Ich wollte dich nicht verletzen."
Mit ein wenig Erstaunen nahm Jesco wahr, wie sein Gegenüber in feiner Geste beinah ehrerbietig den Kopf senkte. Er war hier tatsächlich auf einen außergewöhnlich höflichen Gesprächspartner getroffen.
"Es ist in Ordnung", entgegnete er. "Ich erzähle dir von Deya." Er musste einen Moment innehalten, denn mit einem Schlag drängte sich wieder
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