Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
meinem Haus willkommen geheißen."
"Daran hege ich keinen Zweifel", erwiderte er ohne jegliche Abstriche an seinem warmen Tonfall. "Doch weißt du so gut wie ich, dass das Angenehme und das Nützliche nicht immer miteinander zu verbinden sind."
"Es scheint mir in der Tat sehr nützlich, dich vor deinem Zögling versteckt zu halten. Vielleicht hätte er mein gesamtes Haus gesprengt, statt nur der Fensterscheiben, hätte er dich dort drinnen gewusst."
Er schenkte ihr ein stilles, tiefgründiges Lächeln, während er sie mit einer Geste einlud, sich mit ihm an den Ofen zu setzen. Elisa hatte gegen etwas Bequemlichkeit nichts einzuwenden, nachdem sie eine geraume Weile auf einem Pferderücken zugebracht hatte. Sie ließ sich bereitwillig auf dem Teppich nieder, er nahm ihr gegenüber Platz.
Es verstrichen nur wenige Augenblicke, bis er das Gespräch fortsetzte.
"Zu deinen Gunsten, liebe Elisa,", meinte er, "nehme ich an, dass es nicht in deiner Absicht lag, mir zusätzlich zu dem Geschehenem irgendeinen persönlichen Schaden zuzufügen."
"Ich nehme an, das wäre ohnehin nicht möglich", erwiderte sie, obwohl sie in den letzten Stunden genügend Gründe geliefert bekommen hatte, an seiner Unbezwingbarkeit zu zweifeln. Sie wusste, dass ihm die Ironie in ihren Worten nicht entging.
Sein Gesichtsausdruck wurde ernster.
"Elisa", sagte er, sich ein wenig zu ihr vorlehnend. "War dir für einen Moment entfallen, dass wir beide eine Abmachung haben?"
"Wie könnte ich das jemals vergessen?" fragte sie zurück. "Ich habe mein sterbendes Kind in den Armen gehalten, als du mich vor die Wahl gestellt hast. Das Leben des einen Ungeborenen wolltest du haben im Tausch für meinen Jungen und all die anderen Kinder meines Volkes."
Elisas Erinnerung an jenen Tag war so klar, als sei nicht einmal eines der vielen Jahre darüber verstrichen, die auf der damals getroffenen Entscheidung gefolgt waren. Sie hatte zu jenem Zeitpunkt gewusst, dass sie ein weiteres Kind erwartete. Und auch Elmor war über das neue Leben in ihrem Leib informiert, obwohl sie ihm nichts davon erzählt hatte.
Der Junge, dessen zitternden Körper sie in den Armen gehalten hatte, war ihr kostbares Kind, das einzige Wesen auf dieser Welt, für das sie echte Liebe empfand. Ihr Sohn war reinen Blutes, ein vollwertiges Kind ihres Volkes und nicht nur in materieller Hinsicht als ihr Erbe vorgesehen. Das Ungeborene hingegen war nur durch Elisas Linie mit ihrem Volk verbunden. Sie hatte dieses zweite Kind nicht wirklich gewollt.
"Ganz recht", bestätigte er ihre Worte. "Das eine Ungeborene und dessen Nachfahren, ohne, dass du mir zum damaligen Zeitpunkt oder von da ab in Zukunft jemals dieses Recht verwehren würdest."
"Es ist mir gut im Gedächtnis", stimmte Elisa ihm zu. Wie hätte sie jemals den Wortlaut ihrer Vereinbarung vergessen können, war dies doch ein Bund, der seither ihr Leben bestimmte. Sie hatte damals, als sie schließlich ihre Einwilligung gab, in dem Bewusstsein zugestimmt, ihr zweites Kind womöglich für immer zu verlieren. Nicht träumen lassen hatte sie sich, auf welche Weise und in welch einer Verfassung sie es zurückbekommen würde, und dass schließlich Jolins Rückkehr und ihr Sterben ihren Sohn aus dem Haus treiben würde.
"Dann weißt du", meinte Elmor mit gesenkter, kaum hörbarer Stimme, "dass du den Bund gebrochen hast."
Elisa hob energisch den Kopf. "Ich habe mich nicht zwischen dich und meine Enkelin gestellt", erklärte sie fest. "Deinen Stolperstein hast du dir selbst in den Weg gelegt."
"Elisa." Noch immer sprach er sehr leise, doch der Ton war unüberhörbar mahnend. Er streckte ihr seine nach oben gewandte Handfläche entgegen. "Der Bund ist gebrochen", teilte er ihr mit ruhiger, tiefer Stimme mit. "Gib mir den Ring zurück."
Dass er so weit gehen würde, das Zeichen des Bundes von ihr zu fordern, traf Elisa unerwartet. Sie spürte, wie sich jeder Muskel ihres Körpers straffte, ihr Herz schlug unweigerlich einen Takt schneller. Sie betrachtete die Vereinbarung keineswegs als beendet. Zu keinem Zeitpunkt hatte sie ihre Einwilligung zurückgezogen.
"Bedeutet dies,", erkundigte sie sich unter enormer Selbstbeherrschung, "dass du auf das Mädchen verzichtest - oder will es heißen, dass du das Risiko eingehst, dir meine Enkelin auch gegen meinen Willen zu holen?"
"Glaubst du,", fragte er zurück, "das geht dich etwas an?"
Elisa dachte nicht daran, auch nur die geringsten Anstalten zu machen, ihm den Ring auszuhändigen.
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