Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Sie brauchten die Hände eines Menschen dazu, einer Person, die es für ihre Zwecke zu gewinnen galt.
Doch nun würden sie zuerst gehen und den Priester rufen, wenn sie es ihnen erlaube. Elisa solle nur das Buch bewahren, gut verbergen, es sei ein Schatz in ihren Händen.
Geht , willigte sie ihnen ein, noch immer am geöffneten Fenster stehend. Führt ihn zu seinem Opfer, wie wir es versprochen haben.
Die Geister strichen um sie herum, Elisa spürte sie wie einen warmen Hauch. Dann verschwanden sie so plötzlich, wie es schon immer ihre Art war.
Nun war es an der Zeit, das Fenster zu schließen, die Vorhänge zuzuziehen, sich in den Lehnstuhl zu setzen und die ihr in die Hände gefallene Lektüre zu begutachten. Zuerst kam sie nur sehr schwer mit dem Lesen voran. Sie war sehr aus der Übung nach all den Jahren und einige der Wörter fehlten schlicht und einfach in ihrem Vokabular. Aber nach einer Weile kam ein altes Gefühl der Vertrautheit mit dieser Sprache auf und sie erinnerte sich daran, wie fremdartig hart die Silben klangen, sprach man sie auf korrekte Weise laut aus. Allerdings hatte die Erfahrung sie gelehrt, sich zu hüten, auch nur eines der Worte laut zu lesen.
Nach und nach wurde ihr deutlich, worum es in dem Buch eigentlich ging und noch wichtiger: wer es verfasst hatte. Ihr Erstaunen war groß, als sie feststellte, dass sie tatsächlich Elmors private Aufzeichnungen in den Händen hielt. Seine eigenen, handgeschriebenen Notizen, begonnen mit der Zeit vor etwa dreißig Jahren. Die Gedankengänge des Schwarzen Priesters zu dem großen Projekt , das nach jahrelanger vorhergehender Planung schrittweise in die Realität umgesetzt wurde. Damit hatte sie beileibe nicht gerechnet.
Als sie zum vierten Mal von einer Seite zur nächsten blätterte, voll Anspannung und innerer Erregung, fiel ihr Blick auf ein zwischen die Seiten eingelegtes Bild. Es handelte sich um ein Bild, das mit dieser neuen Technik erstellt war, die sich "Fotografie" nannte. Es bestand aus verschiedenen Grauabstufungen auf einem festen, kartonähnlichen Papier. Elisa nahm die Fotografie aus dem Buch heraus, um einen intensiven Blick darauf zu werfen. Vor einer sonnenbeschienen Gartenlaube stand eine noch sehr junge Frau, vielleicht gerade einmal zwanzig Jahre alt, mit geflochtenen, braunen Zöpfen in einem sehr einfach gehaltenen Kleid. Ein etwas verschüchtertes, nicht sehr glücklich wirkendes Lächeln zeichnete sich auf dem ovalen Gesicht ab, das noch einige kindliche Züge besaß. Ein süßes Mädchen, kein Zweifel. Es wirkte auf eine natürliche Art unschuldig. Und neben der jungen Frau stand Robert, ihre Hand lag um seinen Arm. Er sah nicht in die Kamera, sondern blickte zu seiner Begleiterin.
Der Anblick dieses Bildes traf Elisa heftiger, als die Erkenntnis über die Urheberschaft der auf ihrem Schoß liegenden Aufzeichnungen. Es war ein viel zu privater Einblick in ein Leben, von dem sie nichts, aber auch gar nichts hatte wissen wollen. Und schon begann sich die Gedankenspirale wieder zu drehen, die sie seit zwei Jahrzehnten so erfolgreich außer Kraft gesetzt hatte: Wer war das Mädchen? Waren die beiden ein Paar? Oder gehörte sie zu irgendeiner Familie, in der er vielleicht aufgewachsen war? Und befand sie sich nun? War sie dem gnadenlosen Spiel des Lebens zum Opfer gefallen?
Eines schien sicher: Dieses Buch stammte aus Roberts Besitz. Ihre beiden Freunde hatten es ihm abgenommen. Als hätte sie die Nachricht nicht schon zuvor gehört, wurde ihr eines plötzlich sehr plastisch klar: Keinesfalls hätte er sich dieses Buch freiwillig nehmen lassen. Er konnte zu keiner Gegenwehr mehr in der Lage sein und Elmor würde ihn sich nun einfach holen. Die Taktik des alten Katers war wieder einmal aufgegangen: Er war einer direkten Konfrontation entgangen, ohne auf den Sieg verzichten zu müssen.
Robert Adlam war zumindest zur Hälfte ein Kind des Volks, das von diesem alten, grässlichen Fluch überschattet war. Und der Bund, der den Fluch der Krankheit von den damaligen Kindern - und offensichtlich auch den Kindeskindern - fernhielt, war aufgehoben.
Sie selbst hatte ihn preisgegeben und verraten.
------- ROBIN DUNGSLEAR -------
Er war wie zumeist in den letzten Tagen allein. Die anderen Männer, ursprünglich vier, jetzt nur noch drei, hatte sein Herr bereits vor Tagen fortgeschickt, in ihre Behausung. Wo der vierte Mann, Matthias, abgeblieben war, wusste Robin nur durch die Erzählung dieses Malers,
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