Elwin - Rosenwasser (German Edition)
nicht gleich beim Anblick der Wachen erschrecken. Bogolan hieß sonst jedermann willkommen, in den nächsten Tagen jedoch war keine Zeit für freundliche Wachen, die Wandersleuten oder durchreisenden Kaufleuten Auskunft gaben. Nein, Bogolan musste bereits am Fluss unfreundlich und wehrhaft wirken.
Acht Männer waren als Wachposten eingeteilt. Sie trugen dunkelblaue Hosen und hellblaue Jacken. Eine Stickerei in dunkelrotem Garn auf den Ärmeln zeichnete die Umrisse des Dorfes ab. Ihre Pfeile, Bögen und Schwerter standen griffbereit in den Wachhäuschen beiderseits des Weges. Zwei Wachen kontrollierten die Passierenden.
Jeder, der Bogolan kannte, wusste, dass es nicht einfach war, an den vielen Wachen vorbeizukommen. Heute waren sie noch strenger. Diejenigen mit Säcken auf den Schultern, mit verschlossenen Beuteln in den Händen oder Karren mit verdeckter Ladung mussten stehen bleiben und zeigen, was sie mitführten.
Dobin war zufrieden. Als Hochbohabe musste er sich nicht selbst um solch einfache Dinge wie die Kontrolle der Wache kümmern. Zwei Tage lang war er ungeduldig hinter den starken Mauern umhergegangen, sah das Volk der Bohaben Vorbereitungen treffen, teilte Leute ein. Jetzt musste er hinaus, Bogolan von außen sehen, den Ort mit dem Blick eines Feindes betrachten.
Rano und eine Gruppe Holzfäller eilten im Laufschritt den Weg hinab zur Brücke. Atemlos blieb der Diener vor Dobin stehen. »Ich konnte nur fünf Männer erreichen«, entschuldigte er sich, »die anderen sind auf Schatzsuche.«
»Fünf reichen«, entgegnete Dobin, hob den Gehstock, den er immer mitführte, und deutete auf die äußere Schutzmauer. »Stellt euch an die Mauer und werft eure Äxte, so weit ihr könnt. Verdoppelt die Entfernung und fällt bis heute Abend jeden Baum oder Strauch in diesem Bereich. Habt ihr mich verstanden?«
»Alles klar«, brummten die Männer, hoben die Werkzeuge auf die Schultern und machten sich auf den Weg.
»Und du begleitest mich zurück«, wies er Rano an. »Sobald wir oben sind, überwachst du die Arbeiten der Holzfäller und berichtest mir, wenn sie nachlässig werden.«
»Sehr wohl«, antwortete Rano breit lächelnd. Noch nie zuvor hatte ihm Dobin die Aufsicht über fünf Männer erteilt. Seine Familie würde stolz auf ihn sein. »Ich werde wachsam wie ein Adler sein«, fügte er schnell hinzu.
»Nicht weniger erwarte ich«, kommentierte Dobin, gab dem Pony einen sanften Tritt und ritt langsam den Weg hinauf. Rano folgte ihm.
Sie erreichten das erste Tor und passierten die Wachen. Im Innenhof saßen Leute an langen Tischen, aßen und hörten Musik, wie an jedem Tag. Dobin gefiel die Ruhe und Gelassenheit der Gemeinschaft. Er empfand Trauer bei dem Gedanken, dass diese schönen Tage womöglich vorbei sein sollten. Auch wenn er alt war, die Haare ihm bis auf wenige ausgegangen waren und seine Haut einem gegerbten Leder glich, so loderte in seinem Herzen noch immer ein Feuer. Es gab ihm Kraft, Bogolan und Königin Mala niemals aufzugeben.
Endlich hatten sie wieder die höchste Ebene erreicht. Dobin stieg mithilfe des Dieners ab und setzte sich erschöpft auf eine Bank. Leno nahm das Pony, ein anderer Diener eilte mit einem Tablett heran, goss heißen Tee in einen Becher und reichte ihn dem Chef.
Der Diener wollte gehen, als wildes Geschrei vom Fluss ertönte.
»Sieh nach«, sagte Dobin, selbst zu erschöpft.
Rano schaute zwischen den Zinnen nach unten.
»Nun sag schon! Was siehst du?«, drängte sein Chef.
»Zwei Leute treiben im Fluss«, antwortete er. »Die Wachen retten sie.« Er drehte sich um und rief freudig: »Es sind Groohi und ein Fremder!«
Dobin stand auf und schleppte sich zur Mauer. »Bring die beiden sofort zu mir«, befahl er Rano, der besorgt an seine Seite geeilt war.
Bogolan
Elwin hatte mit beiden Pfoten den treibenden Baumstamm ergriffen und versucht, auf das Holz zu klettern, heraus aus dem eiskalten Wasser, aber allen Mühen zum Trotz gelang es ihm nicht. Jedes Mal rutschte er ab, oder der Baum drehte sich unter seinem Gewicht und er fiel zurück. Groohi dagegen hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, aus dem Wasser herauszukommen; ihm schien die Kälte nicht viel auszumachen.
Bäume und mächtige Farne säumten zu beiden Seiten das Ufer, ihre breiten Äste hingen weit über dem Fluss. Wie unter einem dichten grünen Himmel trieben die Freunde schnell stromabwärts. Elwin hielt nur mühsam den Kopf über Wasser, zitterte vor Kälte und hoffte, dass er sich lange
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