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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Es tröstete sie ein bisschen über das Gefühl der Fremdheit hinweg.
    »Wer waren die?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Plünderer. Junkies. Irgendwelches Gesindel. Zum Ende des Krieges gab es Tausende solcher Marodeure.«
    »Nein. Ich meine, was waren das für Leute? Waren sie groß oder klein, alt oder jung? Du erinnerst dich doch bestimmt an sie.«
    Er machte ein gequältes Gesicht. »Das alles ging so wahnsinnig schnell, Cooper. Und nach all der Zeit sind meine Erinnerungen auch verblasst. Ich kann dir sagen, dass sie zu siebt waren. Jedenfalls die, die in die Hütte gekommen sind. Fünf Männer und eine Frau und …«
    »Eine Frau?«, unterbrach sie ihn neugierig.
    »Ja. Sie hatte glasige Augen. Sie war ganz sicher ein Junkie. Und wohl so was wie die Frau des Anführers. Jedenfalls schien sie ihm hündisch ergeben. Er war übrigens derjenige, der auf deine Mutter geschossen hat. Seltsamerweise ist es vor allem dieses Bild, das sich in meine Erinnerung eingebrannt hat. Ich sehe nur seinen breiten Rücken und den kahl rasierten Schädel. Und wie seine Schulter zuckt vom Rückstoß des Gewehrs.« Er wischte sich übers Gesicht, holte tief Luft, dann fuhr er fort: »Er hatte schwarze Haut, die anderen Männer waren Weiße. Heruntergekommene, zerlumpte Gestalten mit hohlen, aber dennoch unstet blickenden Augen. Keiner in der Gang war älter als Mitte zwanzig.«
    »Also der Anführer, seine Frau und vier Männer. Sagtest du nicht, es wären sieben gewesen?«
    »O ja.« Er nickte. »Da war noch dieses … dieses Mädchen.« Er presste das Wort heraus, als würde es ihn unglaubliche Überwindung kosten, es auszusprechen. Bis dahin hatte er mit einer seltsamen Teilnahmslosigkeit gesprochen, fast als würde er von jemand anders erzählen. Nun aber verdüsterte sich sein Gesicht schlagartig.
    »Ein Mädchen?«, fragte Cooper überrascht. Undeutliche Bilder flackerten vor ihrem inneren Auge auf: zwei schmale Gestalten weit hinter dem Körper ihrer Mutter.
    »Genau, ein Mädchen«, bestätigte ihr Vater grimmig. »Kaum älter, als du damals warst, aber sie war die ganze Zeit mit dabei. So ein kleines blasses Ding. Helle Haare, helle Haut. Sie passte eigentlich gar nicht zu diesen Gestalten. Dachte ich jedenfalls, als ich sie zuerst sah.«
    »Was ist mit dem Mädchen? Warum bist du so wütend auf sie?«, fragte Cooper erstaunt. »Vielleicht hatten diese Verbrecher sie verschleppt, so wie sie mich verschleppt haben.«
    Er drehte den Kopf, wandte ihr das Gesicht zu, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, als ob er sich jeden Augenblick auf sie stürzen würde, so hasserfüllt loderten seine Augen. Cooper zuckte unter seinem Blick regelrecht zusammen.
    Dann erlosch dieses seltsame Feuer, und sein Gesicht sah noch ein bisschen älter aus als zuvor. »Verzeih mir, es ist nur …«, sagte er und stockte. »Du kannst es nicht wissen. Es war dieses Kind, das daran schuld war, dass sie dich mir gestohlen haben.«
    »Warum das? Wie kommst du darauf?«, fragte Cooper verwirrt, während ihr das Herz bis zum Hals schlug.
    »Sie stand die ganze Zeit über schweigend da«, erzählte ihr Vater, »bis ihr Blick auf ein Foto von dir auf meinem Schreibtisch fiel. Da hat sie sie gesagt, diese ungeheuerlichen Worte. Ich kann sie noch heute hören, als wäre es eben erst passiert.«
    »Was, Vater? Was hat sie gesagt?«
    »Sie sagte: Das Mädchen gehört mir.«
    Die Worte trafen Cooper wie Hammerschläge, und die Szene entstand vor ihrem inneren Auge. Sie schluckte schwer und spürte, wie unbändiger Hass in ihr aufstieg. Wer immer dieses Mädchen war, sie war dafür verantwortlich, dass sie von ihrem Vater getrennt worden war. Vielleicht war sie sogar schuld an diesem Überfall. Vielleicht war es immer nur um sie gegangen.
    Cooper wühlte in ihrer Erinnerung, aber da waren immer nur diese beiden schemenhaften Gestalten an der Tür weit hinter ihrer Mutter. Eine große und eine kleine. Sie versuchte, ein Gesicht zu erkennen, es aus ihrer Erinnerung zu zwingen, aber da schien nichts zu sein, nur dieses vage Gespenst, ein verblasster Dämon.
    »Ich hasse sie«, sagte sie laut zu sich selbst. »Ich werde sie immer hassen.«
    »Genau wie ich«, sagte ihr Vater.
    Es tat gut. Sie genoss den Moment der Einigkeit.
    »Hast du nach mir gesucht?«, fragte sie.
    »Natürlich. Monatelang. Aber draußen tobte ein Bürgerkrieg. Es gab keine Polizei, keine Meldeämter. Dort war niemand, an den ich mich wenden konnte. Ich habe Plakate aufgehängt. Ich hab

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