Elysion: Roman (German Edition)
hätte nicht gedacht, dass ich dazu noch einmal die Gelegenheit bekomme.«
Die Hand auf ihrem Mund löste sich und schob sich langsam an ihrem Körper nach unten zu dem Gürtel ihrer Hose.
»Brent«, jammerte sie. »Bitte tu das nicht.«
»Nenn mich nie wieder so«, erklang es dicht an ihrem Ohr. »Ich bin der Bote.«
Jimmy kauerte auf dem kalten Boden. Der Mann, vor dem er und die anderen sich versteckten, stand fast neben ihm. Er konnte seine Beine sehen und die Pistole in seiner Hand.
»Ist da jemand?«, rief er.
Die Stimme fuhr Jimmy durch Mark und Bein. Es war der Pontifex.
Für einen Moment verspürte er den unwiderstehlichen Drang, ihm die Pistole zu entreißen und dem Kerl das Gesicht zu zerschießen. Doch er wusste, dass er gegen einen bewaffneten Erwachsenen keine Chance hatte. Stattdessen hätte er nur Rasim und die anderen Kinder der Entdeckung preisgegeben.
Der Mann begann, langsam um die Tischplatte herumzuwandern, unter der sich Jimmy versteckt hatte. Es war ein einfaches Gestell aus Blech und auf Rollen. Offenbar befand er sich in einer Art Heilzimmer, denn überall auf den Tischen standen Flaschen mit Tinkturen, Verbandszeug und Ähnliches, aber auch jede Menge technische Geräte, deren Zweck er nur erahnen konnte.
Am Geräusch der Schritte glaubte Jimmy zu erkennen, dass der Pontifex schräg hinter ihm die Tür zu dem kleinen Lagerraum erreicht hatte, in dem sich Rasim und die anderen versteckten. Es klickte. Offensichtlich prüfte der Pontifex die Verriegelung. Wenn er die Tür öffnete, war alles verloren.
Jimmy hielt den Atem an. Doch es blieb beim Klicken. Er beglückwünschte sich innerlich dazu, gegen Rasims Protest von außen ordentlich verschlossen zu haben.
Die Schritte kamen wieder näher. Jimmy betete, dass er aus dem Blickwinkel des Pontifex unsichtbar blieb. Die Beine bewegten sich direkt auf ihn zu.
Und blieben genau vor ihm stehen.
»Komm raus, oder ich brenn dir ein paar Kugeln in den Pelz.«
Jimmy zuckte vor Schreck zusammen. Ein Eisstrom fuhr durch seine Adern und ließ seine Muskeln butterweich werden. Es war vorbei. Alles vorbei. Warum es noch hinauszögern?
Er wollte gerade aufstehen, als …
Iiiiiiiiih.
Ein schriller Sirenenton.
Stille.
Wieder der Sirenenton.
Er wiederholte sich in rhythmischen Abständen.
Erst da merkte er, dass er vor lauter Schreck die Augen zusammengekniffen hatte wie ein kleines Kind. Als er sie wieder öffnete, waren die Beine vor dem Tisch verschwunden. Die Tür schlug zu. Dann ging das Licht aus.
Jon eilte durch die Korridore. Der Tag zerrte an seinen Nerven. Vor allem das Wiedersehen mit seiner Tochter hatte ihm emotional schwer zugesetzt und aus der Bahn geworfen. Dann die aufwühlende Entdeckung in den Schlafquartieren, und auf dem Weg dorthin hatte er geglaubt, seltsame Geräusche aus dem Sanitätsbereich zu vernehmen; er war sich noch immer nicht sicher, ob er sich die nur eingebildet hatte.
Aber das war fürs Erste gleichgültig. Sollte es dort tatsächlich einen Eindringling geben, so hatte er ihn eingesperrt. Der konnte warten, bis Jon den verdammten Reaktorkern überprüft hatte, der sich offenbar in einer kritischen Phase befand.
Doch zuvor würde er sich um jene alte Bekannte im Schlafquartier kümmern.
Er schloss seine Finger etwas fester um die Pistole.
Cooper rieb sich die Beule auf ihrem brummenden Schädel. Ein durchdringendes Geräusch hatte sie hochgeschreckt, und sie war von dem Stuhl gefallen, auf dem sie eingenickt war.
Noch immer verwirrt stand sie auf. Ein Blick auf den Tisch, ihren Teller und die Tasse mit den Resten einer roten Flüssigkeit darin brachte die Erinnerung zurück. Wo war eigentlich ihr neuer Begleiter? Wo war Azrael?
Sie sah sich um. Keine Spur von ihm. Aber … warum war er einfach verschwunden?
Moment.
War das etwa Enttäuschung, die sie da spürte?
Quatsch.
Sie schüttelte den Kopf.
Cooper, du dummes kleines Ding. Er ist nur ein Monster, ein Freak.
Kaum war ihr das letzte Wort durch den Kopf gegangen, erinnerte sie sich wieder an das, was ihr Brent gesagt hatte: So ist es richtig, Coop. Freaks müssen zusammenhalten …
Ein schriller Pfeifton unterbrach ihren Gedankengang. Sie erinnerte sich, dass es dieses Geräusch gewesen war, das dafür gesorgt hatte, dass sie aus dem Schlaf hochgeschreckt war. Irgendetwas musste passiert sein. Etwas Dramatisches.
Vater?
Ob ihm etwas passiert war?
Ihre Kehle wurde eng. Nein, das durfte nicht sein. Nicht jetzt. Nicht, nachdem sie ihn
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