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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Feind
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ei­ner Wei­le er­hob
sich der wei­ße Stoff auf der an­de­ren Sei­te, und ein Helm er­schi­en. Wir
schwenk­ten un­ser Hemd hef­ti­ger, bis die Läu­se her­aus­ge­reg­net sein muß­ten. Ein
Arm wur­de hoch­ge­streckt, der ein Pa­ket hielt. Und dann klet­ter­te ein Mann
lang­sam durch den Sta­chel­draht her­aus; auf Hän­den und Kni­en kroch er auf uns
zu, und da­bei wink­te er von Zeit zu Zeit mit ei­nem Ta­schen­tuch und lach­te
auf­ge­regt. Et­wa in der Mit­te des Nie­mands­lan­des hielt er in­ne und setz­te sein
Pa­ket ab. Er zeig­te mehr­mals dar­auf, lach­te, nick­te und kroch zu­rück. Das
ver­setz­te uns in un­ge­wöhn­li­che Auf­re­gung. Ver­bun­den mit dem fast jun­gen­haf­ten
Ge­fühl, et­was Ver­bo­te­nes zu tun, dem Ge­fühl, je­man­dem ein Schnipp­chen zu
schla­gen, und ein­fach der nack­ten Be­gier­de, an die gu­ten Sa­chen her­an­zu­kom­men,
die da vor uns la­gen, war ein Hauch von Frei­heit, von Un­ab­hän­gig­keit, von
Tri­umph über den gan­zen Me­cha­nis­mus des To­des. Das­sel­be Ge­fühl hat­te ich, als
ich mit­ten un­ter den Ge­fan­ge­nen stand, als sei et­was Mensch­li­ches sieg­reich in
die blo­ße Vor­stel­lung vom »Feind« ein­ge­bro­chen, und ich woll­te mei­nen Teil zu
dem Tri­umph bei­tra­gen.
    Has­tig
such­ten wir ein paar Ge­schen­ke zu­sam­men, wirk­lich arm­se­li­ge Din­ge, denn wir
hat­ten viel we­ni­ger zu ver­schen­ken als die Ka­me­ra­den da drü­ben. Dann ga­ben wir
wie­der un­se­re Si­gna­le mit dem Hemd und be­ka­men di­rekt Ant­wort. Lang­sam hiev­te
ich mich hoch; Kopf und Schul­tern stan­den im Frei­en. Das war ei­ne ver­dammt
schreck­li­che Mi­nu­te, kann ich dir sa­gen, da so un­ge­schützt zu ste­hen, im Frei­en
über der Brust­wehr. Dann kroch ich ge­ra­de­wegs vor; und jetzt än­der­ten sich
mei­ne Ge­dan­ken voll­kom­men, als wä­ren sie plötz­lich in den Rück­wärts­gang
ge­schal­tet wor­den. Die merk­wür­di­ge Si­tua­ti­on nahm mich ge­fan­gen; ich spür­te,
wie ei­ne star­ke, über­schäu­men­de Freu­de in mir auf­stieg; glück­lich und la­chend
lief ich flink auf al­len vie­ren. Und ich er­leb­te einen wun­der­ba­ren Au­gen­blick
des Frie­dens – ei­nes ein­zel­nen, pri­va­ten Frie­dens, ei­nes Frie­dens auf der
gan­zen Welt mir zu­lie­be.
    Ich
stell­te mei­ne Sa­chen ab, hob die an­de­ren auf und kroch zu­rück. Und in die­sem
Au­gen­blick brach der Frie­de zu­sam­men. Ich spür­te wie­der, wie Hun­der­te von
Ge­wehr­läu­fen auf mei­nen Rücken ge­rich­tet wa­ren. Mich pack­te furcht­ba­re Angst,
und der Schweiß lief mir in Strö­men her­un­ter. Aber ich er­reich­te den Gra­ben
un­ver­letzt und leg­te mich au­ßer Atem hin.
    Am
nächs­ten Tag hat­te
ich mich schon ziem­lich an die Sa­che ge­wöhnt; und all­mäh­lich ver­ein­fach­ten wir
es, so daß wir nicht mehr nach­ein­an­der hin­aus­gin­gen, son­dern bei­de gleich­zei­tig
aus un­se­ren Grä­ben klet­ter­ten. Wie zwei von der Lei­ne ge­las­se­ne Hun­de kro­chen
wir auf­ein­an­der zu und tausch­ten un­se­re Ge­schen­ke aus. Als wir uns das ers­te
Mal ins Ge­sicht sa­hen, lä­chel­ten wir uns nur ver­le­gen an. Der an­de­re Ka­me­rad
war ein jun­ger Kerl wie ich, viel­leicht zwan­zig Jah­re alt. Man konn­te sei­nem
Ge­sicht an­se­hen, wie gut er die­sen Spaß fand. »Bon­jour, ca­me­ra­de«, sag­te er;
aber ich war so ver­blüfft, daß ich »Bon­jour, bon­jour« sag­te, es zwei-, drei­mal
wie­der­hol­te und nick­te und mich has­tig um­dreh­te. Wir hat­ten einen be­stimm­ten
Zeit­punkt für das Tref­fen, und das frü­he­re Zei­chen­ge­ben wur­de fal­len­ge­las­sen,
weil bei­de Sei­ten den un­ge­schrie­be­nen Frie­dens­ver­trag ein­hiel­ten. Und ei­ne
Stun­de spä­ter feu­er­ten wir dann wie­der wie vor­her auf­ein­an­der los. Ein­mal
reich­te mir der an­de­re Ka­me­rad mit leich­tem Zö­gern die Hand hin, und wir
schüt­tel­ten uns die Hän­de. Das war schon ko­misch. Da­mals hat­ten sich auch an
an­de­ren Front­ab­schnit­ten ähn­li­che Vor­fäl­le er­eig­net. Das Ober­kom­man­do hat­te
da­von Wind be­kom­men, und es war be­reits Be­fehl er­gan­gen, daß der­glei­chen
ab­so­lut ver­bo­ten sei; in

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