E.M. Remarque
Mausoleen, in riesigen
Steinsärgen gesammelt. Und doch wäre es vielleicht besser, diese Soldaten ruhen
zu lassen, wo sie jetzt zehn oder zwölf Jahre geruht haben, Kameraden sie alle.
Und
es ist, als ob sie es selbst nicht anders haben wollten. Es ist, als wache die
Erde selber über sie und verteidige sie gegen die Hände, die nach Metall und
Geld zwischen ihnen suchen. Denn neben den toten Soldaten schlafen ihre Waffen.
Und oft haben diese Waffen noch ihre Schlagkraft behalten.
Ein
Schlag mit der Hacke auf den Boden genügt. Ein scharfer Spatenstich reicht aus,
und der Boden birst mit einem dumpfen Krach, Splitter fliegen, und der Tod
greift mit rascher Hand aus der Erde nach den Suchern. Schon viele sind in
Fetzen gerissen worden, viele verstümmelt, und jede Woche kommen neue hinzu.
Der Tod, der zuerst die Soldaten hingemäht hat, wacht jetzt über den Gräbern
der Ermordeten, und die Erde bewahrt sie, als sollten sie nicht in großartigen
Mausoleen liegen, sondern bleiben, wo sie gefallen sind.
Und
über diesem Leichentuch ist die Zeit zum Stillstand gekommen, vor der Qual, die
zwischen diese Horizonte eingespannt ist; über diesem Leichentuch brütet das
Schweigen, und Trauer und Erinnerung.
Karl Broeger in Fleury
Der
Wagen
fegt mit Vollgas die Straße entlang, die Reifen singen, die Straße ist gerade,
die Fenster klappern leise, und Straßburg und Metz liegen schon weit hinter
uns. Neben mir sitzt Karl Broeger und ißt ein Butterbrot, ist aber nicht völlig
konzentriert. Seine Gedanken sind anderswo.
Es
ist zwei Stunden her, seit wir zu Mittag gegessen haben. Nachdem wir uns von
der angenehmen Überraschung eines halben Hummer mayonnaise für fünfundzwanzig
Franc als hors d’oevre – von der Realität anderer appetitanregender Dinge gar
nicht zu reden – und der riesigen Käseplatte bei dem denkwürdigen Essen erholt
haben, fängt Karl an, mir ausführlich über seine Pläne und Zukunftschancen
Rechenschaft abzulegen.
Ich
verstehe nicht viel davon, denn eine Menge Wenns und Abers und Berechnungen und
Leute sind damit verbunden. Ob es die Folge des Hummers oder des Weins ist oder
vielleicht sogar, daß beides so erstaunlich billig war, seine Aussichten
stapeln sich, bis sie sich in den Wolken des Mount Everest verlieren – in zehn
Jahren wird er Geschäftsführer sein, in zwanzig Direktor, Generaldirektor,
Präsident und so weiter. Derzeit steht Karl auf einer so niedrigen Stufe der
Leiter, so daß er ganz sicher ohne ernsthafte Verletzungen herunterfallen kann.
Er ist Bankangestellter und hat eine gesunde Konstitution. Deshalb kann er
schon zwei Stunden nach dem Hummer wieder essen – ein gutes, schlichtes
Butterbrot. Inzwischen ist er, um der Verwirklichung seiner Ideale nicht
vorzugreifen, damit beschäftigt, davon zu träumen, was er als Geschäftsführer
einst tun wird. Das ist Karl.
Der
Wagen rast weiter durch die Dörfer – spitze Giebel, Kühe, bunte Frauenkleider,
Herbstwind und Misthaufen sausen an unseren Fenstern vorbei, Kurve um Kurve,
Hügel um Hügel, bis die Alleen und Bäume aufhören; die Straßen gabeln sich und
werden schmaler; schwerfällige, rumpelnde Busse mit fetten aufgemalten
Buchstaben und Wahlsprüchen nähern sich, und auf den Ortsschildern tauchen
Namen auf, bei denen alles stehenbleiben muß.
Karl
packt seine Brieftasche zusammen. Zwischen Bankpapiere hat er Ausschnitte aus
einer Sportzeitung gestopft, die das ruhmreiche Fußballspiel Rheine gegen
Münster beschreiben (Karls Mannschaft siegte überlegen mit 6 zu 0, und Karl
wurde lobend erwähnt), aber am bedeutsamsten sind einige Bilder von charmanten
Damen, die er während des Nachtischs betrachtet hatte.
Vor
uns
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