E.M. Remarque
einträgliches Geschäft, und viele der Sucher können sich bald ein Auto
leisten. Jahrelang sorgte die Artillerie dafür, daß sie nun ihr Auskommen
haben. Das erste, hastige, oberflächliche Sammeln ist vorbei, und jetzt müssen
sie tiefer graben bis zur nächsten Schicht vergrabener Schätze. Der Boden ist
fest, und sie haben schon eine Woche an einer einzigen, ein paar Quadratmeter
großen Grube gegraben. Deshalb ist es wichtig, geeignete Stellen zu finden. Das
erfordert Erfahrung. Gewöhnlich wird der Boden erst mit langen Eisenspitzen,
die in die Erde getrieben werden, nach Metall abgesucht. Da kann es dann
passieren, daß man auf einen Stiefel stößt, der Widerstand bietet; denn die
Stiefel der Toten da unten sind im allgemeinen gut erhalten; aber ein Sucher
kann das beurteilen; er hat ja Übung. Er kann im allgemeinen von oben
beurteilen, ob sich die Ausgrabung lohnt oder nicht. Wenn er auf einen
Stahlhelm trifft, schön und gut; das hat seinen Wert insofern, als es auf eine
mögliche Beute hinweist. Es gibt einige alte, erfahrene Sucher, die nur an
Stellen graben, wo irgendein Strauch sprießt. Sie kalkulieren, daß an solchen
Stellen verschüttete Unterstände mit Leichen sind – sonst wäre der Busch nicht
so gut gediehen. Und in Unterständen sind gewöhnlich alle Arten von Metall zu
haben. Wenn einer Glück hat, stößt er auf ein Maschinengewehr oder sogar ein
kleines Munitionslager. Dann sind natürlich auf einen Schlag einige tausend
Francs zu gewinnen. Ein Fund, von dem man noch immer spricht, war ein deutsches
Flugzeug. Auf dem Pilotensitz hockte noch das Skelett, und zwischen seinen
Beinen lag eine Kiste mit 15000 Goldmark.
Überall
ist es das gleiche Bild. Die Erde wird zuerst gelockert und aufgegraben und
dann mit den Händen weiter umgewühlt. Handgranaten, deutsche mit langen
Griffen, und ein Kochgeschirr kommen ans Licht. Sie wecken wenig Interesse. Ein
Gewehrlauf andererseits, verbogen und korrodiert, wird auf den Haufen mit
verrostetem Eisen geworfen, das schon gesammelt worden ist. Ein Helm – dann ein
bleicher, feuchter Lumpen, graugrün, fadenscheinig, schon halb zu Lehm
geworden, ein Schädel, noch mit Haaren, blonden Haaren, ein Schädel mit einem
gesplitterten Loch, das in die Stirn geschmettert wurde. Der Sucher legt ihn in
eine kleine Kiste hinter sich. Er schüttelt fleckige braune Knochen aus dem
armseligen, schmutzig-grünen Lumpen. Die letzten zerrt er aus den
Stiefelspitzen. Alles wandert in die Kiste, um abends zur Identifikation in das
Hauptdepot geschickt zu werden. Eine vergammelte Börse mit etwas geschwärztem
Geld bleibt liegen. Die Überreste einer ziemlich verrotteten Brieftasche auch.
Aber jetzt klingt der Spaten noch einmal auf Metall, Eisenpfähle und
Drahtrollen kommen zum Vorschein – ein guter Fund – Es ist immer dasselbe Bild,
hundertmal, tausendmal; in der Herbstsonnne liegt ein Soldat, ein paar
vergammelte Lumpen, ein paar Knochen, ein Schädel, einiges an Ausrüstung mit
einer rostigen Gürtelschnalle, einer Patronentasche. Auch er wäre sehr
glücklich, jetzt noch am Leben zu sein.
Einige
Sucher meinen, nach der Form des Kinnknochens sagen zu können, ob sie einen
deutschen oder einen französischen Schädel vor sich haben. Und es ist wichtig,
daß die Knochen abends wieder ins Hauptdepot zurückgebracht werden, sonst
würden bis zum Morgen die Füchse sie fressen. Es ist komisch, daß – hier die
Füchse Knochen fressen. Sicher gibt es nichts anderes für sie zu fressen. Und
doch leben hier viele Füchse. Die Sucher hocken in ihren unzähligen kleinen
Löchern und graben wie die Maulwürfe. Es stimmt schon, die Knochen, die sie
finden, werden identifiziert, auf Friedhöfen, in
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