E.M. Remarque
ist die Straße zu Ende. Der Wagen bleibt mit einem Quietschen der Bremsen
stehen; wir steigen aus und befinden uns auf einer Art Marktplatz. Autos sind
da geparkt, besorgte Chauffeure stehen herum, ganz Tüchtigkeit in ihren spitzen
Fahrermützen, Gruppen von Leuten versammeln sich und stellen sich auf, Führer
jagen herum und sammeln ihre Lämmer ein und marschieren los. Um uns herum
betreiben Männer mit unterdrücktem, hastigem Geflüster eifrig ihr Gewerbe; die
Todesstraßen von gestern haben sich in Boulevards mit achtbaren
Nachkriegsbesuchern verwandelt, und wo früher jeder Schritt Blut bedeutete und
schreckliche Angst einem den Hals zuschnürte, verlaufen heutzutage
Holzplankenwege, damit die Schuhe der Touristen sauber bleiben, und gut
ausgebildete Dolmetscher marschieren voran, so daß jeder alles sieht –
garantiert alles. Douaumont.
Auch
um uns schwirrt jemand herum, aufgeregt, schnell und eifrig – er will uns die
Strategie der Dinge hier erklären, uns sozusagen au fait machen. Karl, gestärkt
von Hummer und Butterbrot, lächelt freundlich und ist ganz Ohr, und wir
gestatten uns auch, uns bei Karbidlicht durch das Fort führen zu lassen; auch
wir lassen uns erklären, wie praktisch die Deutschen waren, indem sie, sobald
sie das Fort eingenommen hatten, Maschinen im Keller einbauten, elektrisches
Licht legten und Kräne aufstellten, um die Munition hochzuhieven, was es alles
vorher nicht gegeben hatte.
Karl nickt zustimmend:
Ja, so war das. Aber wie wir so vor den rostigen Stahlhelmen, den verdrehten
Gewehrläufen und Blindgängern stehen und der Führer hier auch wieder anfängt zu
schwafeln und neben uns noch einer mit derselben Geschichte auf englisch
loslegt, winkt Karl; ihm reicht’s; wir drängeln uns nach draußen. Vor den
Helmen, Brustpanzern, Granatsplittern da unten ist er ganz still geworden.
Draußen,
nach der erstickenden Luft in dem Tunnel, kommt uns ein Windhauch entgegen, so
sanft und mild, daß man sich am liebsten dagegenlehnen würde. Noch ist es
ziemlich hell, aber es ist schon jene geheimnisvolle Stunde, wenn Tag und Nacht
sich die Waage halten, die Waagschalen in ihrer endlosen Schwingung einen
Moment innehalten und stillzustehen scheinen – noch ein Herzschlag, und der
Zauber ist vorbei, plötzlich ist ein schwaches Schimmern des Abends da, eine
Kuh muht auf der Wiese, und die Nacht ist hereingebrochen.
Welle
um Welle liegen die Höhen in violettem Schatten vor uns. Der Führer ist uns
gefolgt und fängt hinter uns wieder an: »Die Pfefferbüchse da drüben war ein
strategisch höchst interessanter Punkt ...«
Weiter
kommt er nicht. Karl schaut sich ungehalten um und sagt bestimmt: »Halten Sie
die Schnauze …« Er sagt es nicht bösartig, sondern eher ruhig und damit
abschließend.
Dann
geht er voran, weg von der strategischen Schlachtaufstellung, weg von dem
undeutlichen Geschnatter der Touristengruppen, weg von Hummer, Butterbrot,
Damenbildern und Bankgeschäften, weg von den zehn Friedensjahren.
Er
geht, und sein Gesicht wird immer ernster; die Augen werden schmaler, sie
schauen angestrengt zu Boden; Gras raschelt, Steine knirschen, ein Schild warnt
noch vor Gefahr irgendwo, aber um diese Dinge kümmert sich Karl nicht mehr. Er
ist auf der Suche. – Die Spur führt über die von Granaten zerlöcherten Felder
durch Reste von Stacheldrahtverhauen hinaus. Der Dolmetscher bleibt weit
zurück, nachdem er uns haufenweise Warnungen nachgebrüllt hat. Unterstände, die
verschüttet und wieder ausgegraben sind, kommen in Sicht, Stabgranaten und
völlig durchlöcherte Kochgeschirre liegen herum, in dem gelben Lehm steckt eine
armselige rostige Gabel, und an ihrem Ende hängt ein halber
Weitere Kostenlose Bücher