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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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flüs­tern.
    »Hier«, sag­te 509. »Wir ha­ben einen ge­fun­den, Am­mers.«
    Am­mers wur­de still. »Wirk­lich?« frag­te er dann deut­lich. »Ist er da?«
    »Ja.«
    Hell­wig bück­te sich. »Ge­lobt sei Je­sus Chris­tus!«
    »In Ewig­keit, Amen«, flüs­ter­te Am­mers mit ei­ner Stim­me wie ein er­staun­tes Kind.
    Sie be­gan­nen zu mur­meln. 509 und die an­de­ren gin­gen hin­aus. Drau­ßen stand der
spä­te Abend sehr still über den Wäl­dern am Ho­ri­zont. 509 setz­te sich ge­gen die
Ba­ra­cken­wand.
    Sie hat­te noch et­was Wär­me von der Son­ne be­hal­ten. Bu­cher kam und setz­te sich
ne­ben ihn. »Son­der­bar«, sag­te er nach ei­ner Wei­le. »Manch­mal ster­ben hun­dert,
und man fühlt nichts, und dann stirbt ein ein­zel­ner, ei­ner, der einen nicht mal
viel an­geht – und es ist, als wä­ren es tau­send.«
    509U nick­te. »Un­se­re Ein­bil­dungs­kraft kann nicht zäh­len. Und Ge­fühl wird durch
Zif­fern nicht stär­ker. Es kann im­mer nur bis eins zäh­len. Eins – aber das ist
ge­nug, wenn man es wirk­lich spürt.«
    Hell­wig kam aus der Ba­ra­cke. Er trat ge­bückt durch die Tür, und einen
Au­gen­blick war es, als trü­ge er die stin­ken­de Dun­kel­heit wie ein Schä­fer ein
schwar­zes Schaf auf sei­nen Schul­tern, um sie fort­zu­neh­men und in dem rei­nen
Abend zu wa­schen. Dann rich­te­te er sich auf und war wie­der ein Ge­fan­ge­ner.
    »War es ein Sa­kri­leg?« frag­te 509.
    »Nein. Ich ha­be kei­ne pries­ter­li­che Hand­lung aus­ge­führt. Ich ha­be ihm nur bei
der Reue as­sis­tiert.«
    »Ich woll­te, wir hät­ten et­was für dich. Ei­ne Zi­ga­ret­te oder ein Stück Brot.«
509 gab Hell­wig den Eß­napf zu­rück. »Aber wir ha­ben selbst nichts. Al­les, was
wir dir an­bie­ten kön­nen, ist Am­mers' Sup­pe, wenn er vor dem Abendes­sen stirbt.
Wir emp­fan­gen sie dann noch mit.«
    »Ich brau­che nichts. Ich will auch nichts. Es wä­re ei­ne Schwei­ne­rei, da­für
et­was zu neh­men.«
    509 sah jetzt erst, daß Hell­wig Trä­nen in den Au­gen hat­te. Er blick­te ihn
maß­los er­staunt an. »Ist er ru­hig?« frag­te er dann.
    »Ja. Er hat heu­te mit­tag ein Stück Brot ge­stoh­len, das Ih­nen ge­hör­te. Er
woll­te, daß ich es Ih­nen sa­ge.«
    »Ich ha­be das schon ge­wußt.«
    »Er möch­te, daß Sie kom­men. Er will Sie al­le um Ver­zei­hung bit­ten.«
    »Um Him­mels wil­len! Wo­zu denn das?«
    »Er will es. Be­son­ders einen, der Le­ben­thal heißt.«
    »Hörst du, Leo?« sag­te 509.
    »Er will rasch noch sein Ge­schäft mit Gott ma­chen, des­halb«, er­klär­te Le­ben­thal
un­ver­söhn­lich.
    »Ich glau­be nicht.« Hell­wig nahm sei­nen Eß­napf un­ter den Arm. »Ko­misch, ich
woll­te wirk­lich ein­mal Pries­ter wer­den«, sag­te er. »Riß dann aus. Ver­ste­he es
jetzt nicht mehr. Woll­te, ich hät­te es nicht ge­tan.« Er ließ sei­ne merk­wür­di­gen
Au­gen über die Sit­zen­den flat­tern. »Man lei­det we­ni­ger, wenn man an et­was glaubt.«
    »Ja. Aber es gibt vie­les, an das man glau­ben kann. Nicht nur Gott.«
    »Ge­wiß«, er­wi­der­te Hell­wig plötz­lich so ver­bind­lich, als stän­de er in ei­nem
Sa­lon und dis­ku­tier­te. Er hielt den Kopf leicht schief, als lau­sche er auf
et­was. »Es war ei­ne Art von Not­beich­te«, sag­te er dann. »Not­tau­fen hat es im­mer
ge­ge­ben. Not­beich­ten ...« Sein Ge­sicht zuck­te. »Ei­ne Fra­ge für die Theo­lo­gen –
gu­ten Abend, mei­ne Her­ren ...«
    Er stak­te wie ei­ne Rie­sen­spin­ne sei­ner Sek­ti­on zu. Die an­de­ren sa­hen ihm
ver­blüfft nach. Es war be­son­ders der Ab­schieds­gruß ge­we­sen; sie hat­ten
ähn­li­ches nicht mehr ge­hört, seit sie im La­ger wa­ren. »Geh zu Am­mers, Leo«,
sag­te Ber­ger nach ei­ner Wei­le. Le­ben­thal zö­ger­te. »Geh!« wie­der­hol­te Ber­ger.
»Sonst schreit er wie­der. Wir an­de­ren wer­den Sulz­ba­cher jetzt los­bin­den.«
    Die Däm­me­rung war zu ei­ner hel­len Dun­kel­heit ge­wor­den.
    Ei­ne Glo­cke läu­te­te von der Stadt her. In den Fur­chen der Äcker la­gen tie­fe
blaue und vio­let­te Schat­ten.
    Sie sa­ßen in ei­ner klei­nen Grup­pe vor der Ba­ra­cke. Am­mers starb drin­nen im­mer
noch. Sulz­ba­cher hat­te sich er­holt. Er saß be­schämt ne­ben

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