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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Ha­sen. Kei­ne hun­dert Me­ter von ih­nen ent­fernt sprang da ei­ne
Traum­mahl­zeit her­um, ein pel­zi­ges Bün­del, das meh­re­re Pfund Fleisch ent­hielt
und das ei­ni­gen von ih­nen die Ret­tung ih­res Le­bens hät­te sein kön­nen.
    Meyer­hof fühl­te es in al­len Kno­chen und Där­men; für ihn wä­re das Tier die
Si­cher­heit ge­we­sen, daß er nicht einen Rück­fall be­käme. »Schön, mei­net­we­gen
auch mit Kas­ta­ni­en«, krächz­te er. Sein Mund war plötz­lich tro­cken und stau­big
wie ein Koh­len­kel­ler.
    Der Ha­se rich­te­te sich auf und schnup­per­te. In die­sem Au­gen­blick muß­te ei­ne der
dö­sen­den SS-Wa­chen ihn ge­se­hen ha­ben. »Ed­gar! Mensch! Ein Lang­ohr!« schrie er.
»Drauf!«
    Ein paar Schüs­se knat­ter­ten. Er­de spritz­te auf. Der Ha­se sprang in lan­gen
Sät­zen da­von. »Siehst du«, sag­te 509. »Sie kön­nen bes­ser Häft­lin­ge aus nächs­ter
Nä­he tref­fen.«
    Le­ben­thal seufz­te und blick­te dem Ha­sen nach.
    »Glaubt ihr, daß wir heu­te Abend Brot krie­gen?« frag­te Meyer­hof nach ei­ni­ger
Zeit.
    »Ist er tot?«
    »Ja. End­lich. Er woll­te noch, daß wir den Neu­en aus sei­nem Bett neh­men soll­ten.
Den mit dem Fie­ber. Er glaub­te, der wür­de ihn an­ste­cken. Da­bei hat er den Neu­en
an­ge­steckt. Er jam­mer­te und schimpf­te zu­letzt auch wie­der. Der Pries­ter hat
nicht ganz vor­ge­hal­ten.«
    509 nick­te. »Es ist schwer, jetzt noch zu ster­ben. Frü­her war es leich­ter.
Jetzt ist es schwer. So kurz vor dem En­de.«
    Ber­ger setz­te sich zu 509. Es war nach dem Abendes­sen. Das Klei­ne La­ger hat­te
nur ei­ne dün­ne Sup­pe be­kom­men; für je­den einen Be­cher voll. Kein Brot. »Was
woll­te Hand­ke von dir?« frag­te er.
    509 öff­ne­te die Hän­de. »Er hat mir die­ses hier ge­ge­ben. Einen sau­be­ren Bo­gen
Brief­pa­pier und einen Füll­fe­der­hal­ter. Er will, daß ich ihm mein Geld in der
Schweiz über­schrei­be. Nicht die Hälf­te. Al­les. Die gan­zen fünf­tau­send Fran­ken.«
    »Und?«
    »Da­für will er mich einst­wei­len le­ben las­sen. Er hat mir so­gar so et­was wie
Pro­tek­ti­on an­ge­deu­tet.«
    »So lan­ge, bis er dei­ne Un­ter­schrift hat.«
    »Das ist bis mor­gen abend. Es ist schon et­was. Wir ha­ben manch­mal nicht so lan­ge
Zeit ge­habt.«
    »Es ist nicht ge­nug, 509. Wir müs­sen et­was an­de­res fin­den.«
    509 hob die Schul­tern. »Viel­leicht hält es vor. Kann sein, daß er denkt, mich
brau­chen zu müs­sen, um das Geld ab­zu­he­ben.«
    »Es kann auch sein, daß er das Ge­gen­teil denkt. Dich los­zu­wer­den, da­mit du die
Über­schrei­bung nicht wi­der­ru­fen kannst.«
    »Ich kann sie nicht wi­der­ru­fen, wenn er sie hat.«
    »Das weiß er nicht. Und du könn­test es viel­leicht. Du hast sie un­ter Zwang
ge­ge­ben.«
    509 schwieg einen Au­gen­blick. »Eph­raim«, sag­te er dann ru­hig. »Das brau­che ich
nicht. Ich ha­be kein Geld in der Schweiz.«
    »Was?«
    »Ich ha­be nicht einen Fran­ken in der Schweiz.«
    Ber­ger starr­te 509 ei­ne Wei­le an. »Du hast das al­les er­fun­den?«
    »Ja.«
    Ber­ger wisch­te sich mit dem Handrücken über die ent­zün­de­ten Au­gen. Sei­ne
Schul­tern zuck­ten.
    »Was hast du?« frag­te 509. »Weinst du et­wa?«
    »Nein, ich la­che. Es ist idio­tisch, aber ich la­che.«
    »Lach nur. Wir ha­ben ver­dammt we­nig ge­lacht hier.«
    »Ich la­che, weil ich an Hand­kes Ge­sicht in Zü­rich ge­dacht ha­be. Wie bist du nur
auf die Idee ge­kom­men, 509?«
    »Ich weiß es nicht. Man kommt auf vie­les, wenn es ums Le­ben geht. Die
Haupt­sa­che ist, daß er es ge­schluckt hat. Er kann nicht ein­mal et­was
her­aus­fin­den, be­vor der Krieg zu En­de ist. Er muß es ein­fach glau­ben.«
    »Das ist rich­tig.« Ber­gers Ge­sicht war wie­der ernst. »Des­halb traue ich ihm
nicht.
    Er kann sei­nen Kol­ler krie­gen und et­was Un­ver­mu­te­tes tun. Wir müs­sen Vor­sor­gen.
Am bes­ten ist es, wenn du stirbst.«
    »Ster­ben? Wie? Wir ha­ben kein La­za­rett. Wie sol­len wir das schie­ben? Hier ist
die letz­te Sta­ti­on.«
    »Über die al­ler­letz­te. Über das Kre­ma­to­ri­um.« 509 sah Ber­ger an. Er sah das
sor­gen­vol­le Ge­sicht mit den trä­nen­den Au­gen und dem schma­len Schä­del, und er
spür­te ei­ne Wel­le

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