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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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frag­te 509 Ber­ger.
    »Er müß­te schon längst tot sein. Aber heu­te ist, glau­be ich, wirk­lich sein
letz­ter Tag.«
    »Es sieht so aus. Er ver­wech­selt be­reits al­les.«
    »Er ver­wech­selt nichts«, er­klär­te Le­ben­thal. »Er weiß, was er re­det.«
    »Ich hof­fe nicht«, sag­te Bu­cher.
    509 sah ihn an. »Er war ein­mal an­ders, Bu­cher«, sag­te er ru­hig. »Aber man hat
ihn zer­schla­gen. Er ist nichts mehr von dem, was er ein­mal war. Das da ist ein
an­de­rer Mensch, der aus Res­ten und Fet­zen von frü­her zu­sam­men­ge­wach­sen ist. Und
die Fet­zen wa­ren nicht heil. Ich ha­be es ge­se­hen.«
    »Einen Pries­ter«, jam­mer­te Am­mers wie­der. »Ich muß beich­ten! Ich will nicht in
die ewi­ge Ver­damm­nis!« 509 setz­te sich auf den Bett­rand. Ne­ben Am­mers lag ein
Mann des neu­en Trans­ports, der ho­hes Fie­ber hat­te und flach und rasch at­me­te.
    »Du kannst das oh­ne Pries­ter, Am­mers«, sag­te 509. »Was hast du schon ge­tan?
Hier gibt es kei­ne Sün­den. Nicht für uns. Wir bü­ßen al­les gleich ab. Be­reue,
was du zu be­reu­en hat. Wenn kei­ne Beich­te mög­lich ist, ist das ge­nug. So steht
es im Ka­te­chis­mus.«
    Am­mers hör­te einen Mo­ment auf zu keu­chen. »Bist du auch ka­tho­lisch?« frag­te er.
    »Ja«, sag­te 509. Es war nicht wahr.
    »Dann weißt du es doch! Ich muß einen Pries­ter ha­ben! Ich muß beich­ten und
kom­mu­ni­zie­ren! Ich will nicht in Ewig­keit bren­nen!« Am­mers zit­ter­te. Sei­ne
Au­gen wa­ren weit auf­ge­ris­sen. Sein Ge­sicht war nicht mehr als zwei Fäus­te, und
die Au­gen wa­ren viel zu groß da­für. Er hat­te da­durch et­was von ei­ner
Fle­der­maus. »Wenn du Ka­tho­lik bist, weißt du, wie es ist. Wie das Kre­ma­to­ri­um;
aber man ver­brennt nie und stirbt nie. Willst du, daß das mit mir pas­siert?«
509 sah zur Tür. Sie war of­fen. Ein kla­rer Abend­him­mel stand dar­in wie ein
Bild.
    Dann sah er zu­rück auf den ab­ge­zehr­ten Kopf, in dem die Bil­der der Höl­le
brann­ten.
    »Für uns hier ist das an­ders, Am­mers!« sag­te er schließ­lich. »Wir ha­ben drü­ben
ei­ne Vor­zugs­stel­lung. Ein Stück Höl­le ha­ben wir ja schon hier ge­habt.«
    Am­mers be­weg­te ru­he­los den Kopf. »Ver­sün­di­ge dich nicht«, flüs­ter­te er. Dann
hob er sich müh­sam auf, starr­te um sich und brach plötz­lich aus: »Ihr! Ihr! Ihr
seid ge­sund! Und ich muß ab­krat­zen! Ge­ra­de jetzt! Ja, lacht! Lacht! Ich ha­be
al­les ge­hört, was ihr ge­sagt habt! Ihr wollt 'raus! Ihr kommt 'raus! Und ich?
Ich! Ins Kre­ma­to­ri­um! Ins Feu­er! Die Au­gen! Und ewig – huh – huh ...«
    Er heul­te wie ein mond­süch­ti­ger Hund. Sein Kör­per war straff hoch­ge­zo­gen, und
er heul­te. Sein Mund war ein schwar­zes Loch, aus dem es hei­ser heul­te.
    Sulz­ba­cher er­hob sich. »Ich ge­he«, sag­te er. »Ich will nach ei­nem Pries­ter
fra­gen ...«
    »Wo?« frag­te Le­ben­thal.
    »Ir­gend­wo. Auf der Schreib­stu­be. Bei der Wa­che ...«
    »Sei nicht ver­rückt. Hier gibt es kei­ne Pries­ter. Die SS dul­det das nicht. Sie
wird dich in den Bun­ker ste­cken.«
    »Das macht nichts.«
    Le­ben­thal starr­te Sulz­ba­cher an. »Ber­ger, 509«, sag­te er dann. »Habt ihr das
ge­hört?«
    Sulz­ba­chers Ge­sicht war sehr blaß. Sei­ne Kinn­ba­cken tra­ten stark her­aus. Er sah
nie­mand an. »Es nützt nichts«, sag­te Ber­ger zu ihm. »Es ist ver­bo­ten. Wir
wis­sen auch kei­nen un­ter den Ge­fan­ge­nen. Meinst du, wir hät­ten ihn sonst nicht
schon ge­holt?«
    »Ich ge­he«, er­wi­der­te Sulz­ba­cher.
    »Selbst­mord!« Le­ben­thal griff sich in die Haa­re. »Und noch für einen
An­ti­se­mi­ten!«
    Sulz­ba­chers Kie­fer ar­bei­te­ten. »Gut, für einen An­ti­se­mi­ten.«
    »Me­schug­ge! Wie­der ei­ner me­schug­ge!«
    »Gut, me­schug­ge, ich ge­he.«
    »Bu­cher, Ber­ger, Ro­sen«, sag­te 509 ru­hig.
    Bu­cher stand be­reits mit ei­nem Knüp­pel hin­ter Sulz­ba­cher. Er schlug ihm auf den
Kopf. Der Schlag war nicht be­son­ders stark, aber er ge­nüg­te, um Sulz­ba­cher
tau­meln zu las­sen. Al­le zerr­ten ihn jetzt her­un­ter und roll­ten sich über ihn.
»Gib die Bän­der vom Schä­fer­hund, Ahas­ver«, sag­te Ber­ger.
    Sie ban­den die Hän­de und Fü­ße Sulz­ba­chers und lie­ßen ihn

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