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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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von Wär­me. »Glaubst du, daß das mög­lich ist?«
    »Man kann es ver­su­chen.«
    509 frag­te nicht, wie Ber­ger es ver­su­chen wol­le. »Wir kön­nen dar­über noch
re­den«, sag­te er. »Vor­läu­fig ha­ben wir noch Zeit. Ich wer­de Hand­ke heu­te nur
zwei­tau­send­fünf­hun­dert Fran­ken über­schrei­ben. Er wird den Zet­tel neh­men und den
Rest ver­lan­gen. Da­durch ge­win­ne ich ein paar Ta­ge. Dann ha­be ich noch die
zwan­zig Mark von Ro­sen.«
    »Und wenn die weg sind?«
    »Bis da­hin pas­siert viel­leicht noch et­was an­de­res. Man kann im­mer nur an die
nächs­te Ge­fahr den­ken. Ei­ne zur Zeit. Und ei­ne nach der an­de­ren. Sonst wird man
ver­rückt.« 509 dreh­te den Brief­bo­gen und den Füll­fe­der­hal­ter hin und her. Er
be­ob­ach­te­te die mat­ten Re­fle­xe auf dem Hal­ter. »Ko­misch«, sag­te er. »Das ha­be
ich lan­ge nicht in der Hand ge­habt. Pa­pier und Fe­der. Frü­her ha­be ich ein­mal
da­von ge­lebt. Ob man das je wie­der kön­nen wird?«

XV
    D ie zwei­hun­dert Mann des
neu­en Ber­gungs­kom­man­dos wa­ren in ei­ner lan­gen Rei­he über die Stra­ße ver­teilt.
Es war das ers­te Mal, daß sie in­ner­halb der Stadt zum Auf­räu­men ein­ge­setzt
wur­den. Bis­her hat­te man sie nur in den ein­ge­stürz­ten Fa­bri­ken der Vor­or­te
be­schäf­tigt.
    Die SS hat­te die Aus­gän­ge der Stra­ße be­setzt und au­ßer­dem Mann­schaf­ten der
Län­ge nach über die lin­ke Sei­te als Wa­chen ver­teilt. Die Bom­ben hat­ten
haupt­säch­lich die rech­te Sei­te ge­trof­fen; Mau­ern und Dä­cher wa­ren über den
Fahr­damm ge­stürzt und mach­ten fast je­den Ver­kehr un­mög­lich.
    Die Häft­lin­ge hat­ten nicht ge­nug Schau­feln und Ha­cken; sie muß­ten zum Teil mit
den blo­ßen Hän­den ar­bei­ten. Die Ka­pos und Vor­ar­bei­ter wa­ren ner­vös; sie wuß­ten
nicht, ob sie prü­geln und an­trei­ben oder sich zu­rück­hal­ten soll­ten. Zi­vi­lis­ten
war es zwar un­ter­sagt, die Stra­ße zu be­nut­zen; aber die Mie­ter, die in den
heil­ge­blie­be­nen Häu­sern wohn­ten, konn­ten nicht hin­aus­ge­wor­fen wer­den.
    Le­wins­ky ar­bei­te­te ne­ben Wer­ner. Bei­de hat­ten sich mit ei­ner An­zahl ge­fähr­de­ter
po­li­ti­scher Ge­fan­ge­ner zum Ber­gungs­kom­man­do ge­mel­det. Die Ar­beit war schwe­rer
als an­ders­wo; aber sie wa­ren auf die­se Wei­se tags­über dem Zu­griff der SS im
La­ger ent­zo­gen; abends, nach dem Ein­rücken, wenn es dun­kel war, konn­ten sie
sich dann bei Ge­fahr leich­ter un­sicht­bar ma­chen und un­auf­find­bar blei­ben.
    »Hast du ge­se­hen, wie die Stra­ße heißt?« frag­te Wer­ner lei­se.
    »Ja.« Le­wins­ky grins­te. Die Stra­ße hieß Adolf-Hit­ler-Stra­ße. »Hei­li­ger Na­me.
Hat aber ge­gen Bom­ben nichts genützt.«
    Sie schlepp­ten einen Bal­ken fort. Die Rücken ih­rer ge­streif­ten Ja­cken wa­ren
dun­kel von Schweiß. An der Sam­mel­stel­le tra­fen sie auf Gold­stein. Er war trotz
sei­nes schwa­chen Her­zens mit zum Kom­man­do ge­kom­men, und Le­wins­ky und Wer­ner
hat­ten nichts da­ge­gen ge­sagt – er ge­hör­te zu den ge­fähr­de­ten Häft­lin­gen. Sein
Ge­sicht war grau. Er schnup­per­te. »Es stinkt hier. Nach Lei­chen. Nicht nach
fri­schen – hier müs­sen noch al­te Lei­chen lie­gen.«
    »Stimmt.« Sie kann­ten das. Sie wuß­ten ge­nau, wie Lei­chen ro­chen. Sie
schich­te­ten jetzt los­ge­bro­che­ne Stei­ne ne­ben ei­ner Mau­er auf. Der Mör­tel wur­de
in klei­nen Wa­gen fort­ge­schafft.
    Hin­ter ih­nen, auf der an­de­ren Sei­te der Stra­ße, be­fand sich ein
Ko­lo­ni­al­wa­ren­la­den.
    Die Fens­ter wa­ren ge­platzt; aber ei­ni­ge Pla­ka­te und Kar­tons wa­ren schon wie­der
in die Aus­la­ge hin­ein­ge­stellt wor­den. Ein Mann mit ei­nem Schnurr­bart schau­te
hin­ter ih­nen her­vor. Er hat­te ei­nes der Ge­sich­ter, die man 1933 in Men­gen bei
De­mons­tra­tio­nen hin­ter Schil­dern mit der Auf­schrift: »Kauft nicht bei Ju­den« ge­se­hen
hat­te. Der Kopf schi­en durch die Rück­wand des Schau­fens­ters ab­ge­schnit­ten zu
sein – ähn­lich wie bei bil­li­gen Fo­to­gra­fi­en auf Rum­mel­plät­zen, wo die Kli­en­ten
ih­re Köp­fe über ge­mal­te Ka­pi­tän­s­uni­for­men

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