E.M. Remarque
»Sonst verschwinden die
Neuen in den Baracken, und wir haben da das Durcheinander.«
Weber schüttelte den Kopf. »Auch darauf werden die in den Baracken schon selbst
aufpassen. Sie haben Angst genug, daß wir sonst morgen einen Teil von ihnen
mitschicken, um die Zahl vollzumachen.«
»Gut. Bestimmen Sie einige unserer Leute und genügend Kapos und Lagerpolizei
als Wachen. Und lassen Sie die Baracken im Kleinen Lager abschließen. Wir
können keine Scheinwerfer riskieren, um den Transport zu bewachen.«
Es war, als käme eine Horde großer müder Vögel, die nicht mehr fliegen konnten,
durch das Zwielicht heran. Sie schwankten und stolperten, und wenn einer fiel,
trampelten die anderen über ihn hinweg, fast ohne ihn zu sehen.
»Barackentüren zu!« kommandierte der SS-Scharführer, der das Kleine Lager
absperrte.
»Bleibt drin! Wer herauskommt, wird erschossen!«
Die Menge wurde auf den Platz zwischen den Baracken getrieben. Sie flutete hin
und her, einige fielen, andere hockten sich zu ihnen, sie bildeten in der
Unruhe eine Insel, die größer wurde, und bald lagen alle, und der Abend fiel
auf sie wie ein Regen aus Asche.
Sie lagen und schliefen; aber ihre Stimmen schwiegen nicht.
Sie flatterten immer wieder auf, aus Träumen und Angstschlaf und jähem
Erwachen, fremdartig und schrill, und manchmal vereinigten sie sich zu einem
langgezogenen Klagen, das in denselben wenigen Tönen auf- und niederstieg und
gegen die Baracken wogte wie ein Meer von Elend gegen die sicheren Archen der
Geborgenheit.
Man hörte es in den Baracken die ganze Nacht hindurch. Es riß an den Nerven,
und schon in den ersten Stunden wurden Leute wild. Sie begannen zu schreien,
und als die Menge draußen es hörte, schwoll auch ihr Jammern an, und das machte
das Schreien drinnen wieder stärker. Es war wie eine unheimliche,
mittelalterliche Wechselklage – bis Kolben an die Baracken donnerten und
Schüsse draußen ertönten und das dumpfe Geräusch von Knüppeln, die auf Körper
fielen, und das schärfere, wenn sie Schädel trafen.
Dann wurde es ruhiger. Die Schreienden in den Baracken waren von ihren
Kameraden überwältigt worden; und die Menge draußen war vom Schlaf der
Erschöpfung endlich niedergeworfen worden, mehr noch als von den Knüppeln. Von
den Knüppeln spürten sie kaum noch etwas. Das Klagen wehte ab und zu wieder
auf; es war schwächer, aber es verstummte nie ganz.
Die Veteranen horchten lange darauf. Sie horchten und schauderten und hatten
Angst, daß es ihnen ähnlich ergehen könne. Sie unterschieden sich äußerlich
kaum von den Leuten des Transportes draußen – aber trotzdem fühlten sie sich in
den Todesbaracken aus Polen, zwischen Gestank und Tod, eng zusammengepreßt und
übereinander liegend, unter den Hieroglyphen, die Sterbende in die Wand
gekratzt hatten, und in der Qual, nicht zur Latrine gehen zu können, so
geborgen, als wären sie Heimat und Sicherheit gegen den uferlosen, fremden
Schmerz draußen – und das schien fast noch grauenhafter zu sein als vieles
andere zuvor – Sie erwachten morgens von vielen leisen, fremden Stimmen. Es war
noch dunkel.
Das Klagen hatte aufgehört. Dafür aber kratzte es jetzt an den Barackenwänden.
Es kratzte, als nagten Hunderte von Ratten draußen, um hereinzukommen. Es
kratzte heimlich und nicht zu laut, und dann begann es vorsichtig zu klopfen,
gegen die Tür, gegen die Wände, und zu murmeln, schmeichlerisch fast,
überredend, in einem fremden Singsang, mit den gebrochenen Stimmen letzter
Verzweiflung: sie baten um Einlaß.
Sie flehten die Archen an um Hilfe vor der Sintflut. Sie waren leise, schon
ergeben, sie schrieen nicht mehr, sie baten nur, streichelten das Holz der
Wände, sie lagen
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