Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
Vom Netzwerk:
da­vor und kratz­ten mit Hän­den und Nä­geln und ba­ten mit
wei­chen, dunklen Stim­men in der Dun­kel­heit. »Was sa­gen sie?« frag­te Bu­cher.
    »Sie bit­ten uns um ih­rer Müt­ter wil­len, sie her­ein­zu­las­sen, um ih­rer ...« Ahas­ver
brach ab. Er wein­te.
    »Wir kön­nen es nicht«, sag­te Ber­ger.
    »Ja, ich weiß ...«
    Ei­ne Stun­de spä­ter kam der Be­fehl, ab­zu­mar­schie­ren.
    Drau­ßen wur­den Kom­man­dos ge­schrie­en. Ein lau­tes Kla­gen ant­wor­te­te. An­de­re
Kom­man­dos folg­ten, wü­tend und laut.
    »Kannst du was se­hen, Bu­cher?« frag­te Ber­ger. Sie hock­ten vor dem klei­nen Fens­ter
auf dem obers­ten Bett.
    »Ja. Sie wei­gern sich. Sie wol­len nicht.«
    »Auf­ste­hen!« schrie es drau­ßen. »An­tre­ten! An­tre­ten zum Ab­zäh­len!« Die Ju­den
stan­den nicht auf. Sie blie­ben flach auf der Er­de lie­gen und blick­ten mit Au­gen
voll Ter­ror auf die Wa­chen oder ver­bar­gen die Köp­fe in den Ar­men.
    »Auf­ste­hen!« brüll­te Hand­ke. »Los! Hoch, ihr Stin­ker! Sol­len wir euch mun­ter
ma­chen? 'raus hier!«
    Das Mun­ter­ma­chen half nichts. Die fünf­hun­dert Krea­tu­ren, die für die Tat­sa­che,
daß sie an­de­re Ge­bräu­che beim Got­tes­dienst als ih­re Pei­ni­ger hat­ten, zu et­was
re­du­ziert wor­den wa­ren, das nicht mehr als mensch­lich be­zeich­net wer­den konn­te,
rea­gier­ten nicht mehr auf Schreie, Flü­che und Schlä­ge. Sie blie­ben lie­gen, sie
ver­such­ten den Bo­den zu um­ar­men, sie krall­ten sich an ihn, – die elen­de,
ver­dreck­te Er­de des Kon­zen­tra­ti­ons­la­gers er­schi­en ih­nen be­geh­rens­wert, sie war
für sie Pa­ra­dies und Ret­tung.
    Sie wuß­ten, wo­hin man sie brin­gen woll­te. So­lan­ge sie auf dem Trans­port und in
Be­we­gung ge­we­sen wa­ren, wa­ren sie stumpf der Be­we­gung ge­folgt. Jetzt, ein­mal
auf­ge­hal­ten und zur Ru­he ge­bracht, wei­ger­ten sie sich eben­so stumpf, sich
wie­der zu be­we­gen.
    Die Auf­se­her wur­den un­si­cher. Sie hat­ten Be­fehl, die Leu­te nicht tot­zu­schla­gen,
und das war ziem­lich schwie­rig. Der Be­fehl hat­te kei­nen an­de­ren Grund als den
üb­li­chen bü­ro­kra­ti­schen: der Trans­port war dem La­ger nicht über­wie­sen wor­den;
er soll­te es des­halb mög­lichst ge­schlos­sen wie­der ver­las­sen.
    Mehr SS-Leu­te er­schie­nen. 509 sah vom Fens­ter von Ba­ra­cke 20 aus so­gar We­ber in
sei­nen blan­ken, ele­gan­ten Stie­feln her­an­kom­men. Er blieb am Ein­gang des Klei­nen
La­gers ste­hen und gab einen Be­fehl. Die SS leg­te an und feu­er­te dicht über die
Lie­gen­den hin­weg. We­ber stand breit­bei­nig ne­ben der Pfor­te, die Ar­me in den
Hüf­ten. Er er­war­te­te, daß die Ju­den nach den Sal­ven auf­sprin­gen wür­den.
    Sie ta­ten es nicht. Sie wa­ren jen­seits al­ler Dro­hung. Sie woll­ten lie­gen
blei­ben. Sie woll­ten nicht wei­ter. Hät­te man zwi­schen sie ge­schos­sen, sie
hät­ten sich wahr­schein­lich auch dann kaum noch ge­rührt.
    We­bers Ge­sicht ver­färb­te sich. »Bringt sie hoch!« schrie er. »Prü­gelt sie hoch!
Auf die Bei­ne und Fü­ße!«
    Die Auf­se­her stürz­ten sich in die Men­ge. Sie prü­gel­ten mit Knüp­peln und
Fäus­ten, sie tra­ten mit den Fü­ßen in Mä­gen und Ge­schlechts­tei­le, sie ris­sen
Leu­te an den Haa­ren und Bär­ten hoch und stell­ten sie auf; aber die Leu­te lie­ßen
sich wie­der fal­len, als sei­en sie oh­ne Kno­chen.
    Bu­cher starr­te hin­aus. »Sieh dir das an«, flüs­ter­te Ber­ger. »Das sind nicht nur
SS-Leu­te, die da prü­geln. Es sind auch nicht nur grü­ne. Nicht nur Ver­bre­cher.
Es sind an­de­re Far­ben dar­un­ter. Es sind Leu­te von uns da­bei! Häft­lin­ge wie wir,
zu Ka­pos und Po­li­zis­ten ge­macht. Sie prü­geln eben­so wie ih­re Meis­ter.« Er rieb
sei­ne ent­zün­de­ten Au­gen, als wol­le er sie aus dem Kopf pres­sen. Dicht ne­ben der
Ba­ra­cke stand ein al­ter Mann mit ei­nem wei­ßen Bart. Blut lief aus sei­nem Mun­de
und färb­te den Bart lang­sam rot.
    »Geht vom Fens­ter weg«, sag­te Ahas­ver. »Wenn sie euch se­hen, ho­len sie euch
auch.«
    »Sie kön­nen uns nicht se­hen.«
    Das Fens­ter war schmut­zig und blind, und man konn­te von au­ßen nicht se­hen, was
da­hin­ter in dem

Weitere Kostenlose Bücher