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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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auf
ei­ne son­der­ba­re Wei­se al­lein; als wä­ren die an­de­ren ihm durch et­was Un­be­kann­tes
ent­frem­det wor­den, und sie ver­stän­den sich nicht mehr. Ei­ne Wei­le zö­ger­te er
noch; dann konn­te er es nicht mehr aus­hal­len. Er tas­te­te sich zur Tür und kroch
wie­der hin­aus.
    Er trug jetzt nur sei­ne ei­ge­nen Lum­pen und fror so­fort. Drau­ßen rich­te­te er sich auf, lehn­te sich ge­gen die Wand der Ba­ra­cke und
blick­te auf die Stadt. Er wuß­te nicht ge­nau, warum – aber er woll­te nicht
wie­der wie vor­her auf al­len vie­ren hocken; er woll­te ste­hen. Die Pos­ten auf den
Wachtür­men des Klei­nen La­gers wa­ren noch nicht zu­rück. Die Auf­sicht an die­ser
Sei­te war nie sehr streng; wer kaum ge­hen konn­te, ent­floh nicht mehr.
    509 stand an der rech­ten Ecke der Ba­ra­cke. Das La­ger ver­lief in ei­ner Kur­ve,
die dem Hö­hen­zu­ge folg­te, und er konn­te von hier nicht nur die Stadt, son­dern
auch die Ka­ser­nen der SS-Mann­schaf­ten se­hen. Sie la­gen au­ßer­halb des
Sta­chel­drah­tes hin­ter ei­ner Rei­he von Bäu­men, die noch kahl wa­ren. Ei­ne An­zahl
von SS-Leu­ten lief vor ih­nen hin und her. An­de­re stan­den in auf­ge­reg­ten Grup­pen
zu­sam­men und blick­ten zur Stadt hin­un­ter. Ein großes, grau­es Au­to­mo­bil kam
rasch den Berg her­auf. Es hielt vor der Woh­nung des Kom­man­dan­ten, die ein Stück
ab­seits von den Ka­ser­nen lag.
    Neu­bau­er stand be­reits drau­ßen; er stieg so­fort ein, und der Wa­gen jag­te los.
509 wuß­te von sei­ner Zeit im Ar­beits­la­ger, daß der Kom­man­dant ein Haus in der
Stadt be­saß, in dem sei­ne Fa­mi­lie wohn­te. Auf­merk­sam blick­te er dem Wa­gen nach.
    Da­bei über­hör­te er, daß je­mand lei­se den Mit­tel­weg zwi­schen den Ba­ra­cken
ent­lang kam. Es war der Blockäl­tes­te von Ba­ra­cke 22, Hand­ke, ein un­ter­setz­ter
Mann, der im­mer auf Gum­mi­soh­len her­um­schlich. Er trug den grü­nen Win­kel der
Kri­mi­nel­len.
    Meis­tens war er harm­los, aber wenn er sei­nen Kol­ler krieg­te, hat­te er schon
öf­ter Leu­te zu Krüp­peln ge­schla­gen.
    Er schlen­der­te her­an. 509 hät­te noch ver­su­chen kön­nen, sich weg­zu­drücken, als
er ihn sah – Zei­chen von Angst be­frie­dig­ten ge­wöhn­lich Hand­kes ein­fa­che
Über­le­gen­heits­ge­lüs­te –, aber er tat es nicht. Er blieb ste­hen.
    »Was machst du hier?«
    »Nichts.«
    »So, nichts.« Hand­ke spuck­te 509 vor die Fü­ße. »Du Mist­kä­fer! Träumst dir wohl
was, wie?« Sei­ne fläch­ser­nen Brau­en ho­ben sich. »Bil­de dir bloß nichts ein! Ihr
kommt hier nicht her­aus! Euch po­li­ti­sche Hun­de ja­gen sie vor­her al­le erst noch
durch den Schorn­stein.«
    Er spuck­te wie­der aus und ging zu­rück. 509 hat­te den Atem an­ge­hal­ten. Ein
dunk­ler Vor­hang weh­te ei­ne Se­kun­de hin­ter sei­ner Stirn. Hand­ke konn­te ihn nicht
lei­den, und 509 ging ihm ge­wöhn­lich aus dem We­ge. Dies­mal war er ste­hen
ge­blie­ben. Er be­ob­ach­te­te ihn, bis er hin­ter der La­tri­ne ver­schwun­den war. Die
Dro­hung schreck­te ihn nicht; Dro­hun­gen wa­ren all­täg­lich im La­ger. Er dach­te nur
an das, was da­hin­ter steck­te. Hand­ke hat­te al­so auch et­was ge­spürt. Er hät­te es
sonst nicht ge­sagt.
    Viel­leicht hat­te er es so­gar drü­ben bei der SS ge­hört. 509 at­me­te tief. Er war
al­so doch kein Narr.
    Er blick­te wie­der auf die Stadt. Der Rauch lag jetzt dicht über den Dä­chern.
Das Läu­ten der Feu­er­wehr klang dünn her­auf. Aus der Rich­tung des Bahn­hofs kam
un­re­gel­mä­ßi­ges Knat­tern, als ex­plo­die­re dort Mu­ni­ti­on. Der Wa­gen des
La­ger­kom­man­dan­ten nahm un­ten am Ber­ge ei­ne Kur­ve so schnell, daß er rutsch­te.
    509 sah es, und plötz­lich ver­zog sich sein Ge­sicht. Es ver­zerr­te sich zu ei­nem
La­chen. Er lach­te, lach­te, laut­los, krampf­haft, er wuß­te nicht, wann er zum
letz­ten Ma­le ge­lacht hat­te, er konn­te nicht auf­hö­ren, und es war kei­ne
Fröh­lich­keit dar­in, er lach­te und sah sich vor­sich­tig um und hob ei­ne kraft­lo­se
Faust und ball­te sie und lach­te, bis ein schwe­rer Hus­ten ihn nie­der­warf.

III
    D er Mer­ce­des schoß ins
Tal hin­un­ter. Ober­sturm­bann­füh­rer

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