E.M. Remarque
dasselbe machen,
was ihr mit den anderen gemacht habt?«
»Wer? Die Juden?« Neubauer lachte. Blank fiel ihm ein. Er stellte sich vor, wie
Blank Weber folterte. »Die sind froh, wenn sie Ruhe haben.«
»Nicht die Juden. Die Amerikaner und Engländer.«
Neubauer lachte wieder. »Die? Die noch weniger! Das geht sie doch gar nichts
an! Um innenpolitische Angelegenheiten wie unsere Lager kümmern die sich
überhaupt nicht! Das mit denen ist eine rein außenpolitische, militärische
Angelegenheit. Verstehst du das nicht?«
»Nein.«
»Das sind Demokraten. Sie würden uns korrekt behandeln, wenn sie gewinnen
sollten – was noch die Frage ist. Militärisch. Korrekt. Wir sind dann eben, in
Ehren unterlegen. Sie können sonst gar nichts tun. Das ist deren
Weltanschauung! Bei den Russen wäre das was anderes. Aber die sind ja im
Osten.«
»Du wirst es sehen. Bleib nur hier.«
»Jawohl, ich werde das sehen. Und ich bleibe hier. Möchtest du mir sagen, wohin
wir denn überhaupt gehen könnten, wenn wir weg wollten?«
»Wir hätten schon vor Jahren mit Diamanten in die Schweiz ...
»Hätten!« Neubauer schlug auf den Tisch. Die Bierflasche vor ihm wackelte.
»Hätten! Hätten! Wieder mal! Wie denn? Hätten wir über die Grenze fliegen
sollen in einem gestohlenen Flugzeug? Du redest Unsinn.«
»Nicht in einem gestohlenen Flugzeug. Aber wir hätten ein paar Ferienreisen
machen können. Geld und Schmuck mitnehmen. Zwei, drei, vier Ferienreisen. Jedes
mal alles dalassen. Ich kenne Leute, die es gemacht haben ...«
Neubauer ging zur Tür. Er öffnete und schloß sie wieder. Dann kam er zurück.
»Weißt du, was das ist, was du da sagst? Reiner Hochverrat! Du würdest sofort
erschossen werden, wenn ein Wort davon weitergehen würde.«
Selma sah ihn an. Ihre Augen glitzerten. »Nun, und? Kannst ja rasch noch
zeigen, was für ein Held du bist. Wirst dabei eine gefährliche Frau los. Ist
dir vielleicht ganz lieb ...«
Neubauer hielt ihren Blick nicht aus. Er wandte sich ab und ging im Zimmer auf
und ab. Er wußte nicht, ob sie etwas gehört hatte von der Witwe, die ihn ab und
zu besuchte. »Selma«, sagte er schließlich mit veränderter Stimme. »Was soll
das? Wir müssen zusammenstehen! Laß uns vernünftig sein. Wir können doch jetzt
nichts anderes tun als durchhalten. Ich kann nicht weglaufen. Ich stehe unter
Befehl. Wohin soll ich denn fliehen? Zu den Russen? Nein. Mich im unbesetzten
Deutschland verstecken? Da wird die Gestapo mich rasch haben, und du weißt, was
das heißt! Zur anderen Seite, zu den Amerikanern und Engländern? Auch nicht. Da
ist es schon besser, hier auf sie zu warten, sonst sieht es aus, als hätte ich
ein schlechtes Gewissen. Ich habe das alles überlegt, glaube es mir. Wir müssen
durchhalten, es gibt nichts anderes.«
»Ja.«
Neubauer blickte überrascht auf. »Wirklich? Verstehst du es endlich? Habe ich
es dir bewiesen?«
»Ja.«
Er sah Selma vorsichtig an; er glaubte nicht an einen so leichten Sieg. Aber
sie hatte plötzlich aufgegeben. Ihre Backen schienen zu fallen. Bewiesen,
dachte sie. Beweise!
Was sie bewiesen haben, das glauben sie – als ob das Leben aus Beweisen
bestände.
Es ist nichts mit ihnen zu machen. Tönerne Götter. Glauben nur sich selbst. Sie
betrachtete ihren Mann lange. Es war eine sonderbare Mischung von Mitleid,
Verachtung und einer fernen Zärtlichkeit, mit der sie Ihn ansah. Neubauer wurde
unbehaglich zumute. »Selma ...« , begann er.
Sie unterbrach ihn. »Bruno, nur noch eines – ich bitte dich darum ...«
»Was?« fragte er mißtrauisch.
»Laß das Haus und die Grundstücke auf Freya überschreiben. Geh gleich zum
Anwalt. Nur das, weiter nichts.«
»Warum?«
»Nicht für immer. Vorläufig. Wenn alles gut geht, können sie
zurücküberschrieben werden. Du kannst
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