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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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or­ga­ni­sie­ren. Die
Eng­län­der oder Ame­ri­ka­ner, die uns be­frei­en, sind kämp­fen­de Trup­pen. Sie sind
nicht aus­ge­rüs­tet da­für, so­fort KZ-La­ger zu ver­wal­ten. Das müs­sen wir selbst
ma­chen. Mit ih­rer Hil­fe na­tür­lich.«
    509 sah den Kopf Le­wins­kys ge­gen den wol­ki­gen Him­mel. Er war wuch­tig und rund,
oh­ne Weich­heit. »Son­der­bar«, sag­te er. »Wie selbst­ver­ständ­lich wir mit der
Hil­fe un­se­rer Fein­de rech­nen, wie?«
    »Ich ha­be ge­schla­fen«, sag­te Ber­ger. »Ich bin wie­der in Ord­nung. Es war nur der
Ma­gen, wei­ter nichts.«
    »Du bist krank, und es ist nicht der Ma­gen«, er­wi­der­te 509. »Ich ha­be nie
ge­hört, daß man vom Ma­gen Blut spuckt.«
    Ber­ger hat­te die Au­gen weit ge­öff­net. »Ich ha­be et­was Son­der­ba­res ge­träumt. Es
war sehr deut­lich und wirk­lich. Ich ope­rier­te. Das hel­le Licht ...«
    Er blick­te in die Nacht. »Le­wins­ky glaubt, daß wir in zwei Wo­chen frei sind,
Eph­raim«, sag­te 509 be­hut­sam. »Sie emp­fan­gen jetzt dau­ernd Nach­rich­ten.«
    Ber­ger rühr­te sich nicht. Es schi­en, als ha­be er nichts ge­hört. »Ich ope­rier­te«, sag­te er. »Ich setz­te zum Schnitt an. Ei­ne Ma­gen­re­sek­ti­on. Ich
setz­te an, und plötz­lich wuß­te ich nicht wei­ter. Ich hat­te al­les ver­ges­sen. Der
Schweiß brach mir aus. Der Pa­ti­ent lag da, of­fen, be­wußt­los – und ich wuß­te
nicht wei­ter. Ich hat­te die Ope­ra­ti­on ver­ges­sen. Es war ent­setz­lich.«
    »Denk nicht dar­über nach. Es war ein Alp­traum, wei­ter nichts. Was ha­be ich
nicht al­les schon ge­träumt! Und was wer­den wir nicht noch al­les träu­men, wenn
wir hier her­aus sind!« 509 roch plötz­lich ganz deut­lich Spie­ge­lei­er mit Speck.
Er be­müh­te sich, nicht dar­an zu den­ken. »Es wird nicht al­les Ju­bel sein«, sag­te
er. »Das ist si­cher.«
    »Zehn Jah­re.« Ber­ger starr­te in den Him­mel. »Zehn Jah­re nichts. Weg! Fort!
Nicht ge­ar­bei­tet. Ich ha­be bis jetzt nie dar­an ge­dacht. Es ist mög­lich, daß ich
viel ver­ges­sen ha­be. Ich weiß auch jetzt nicht ge­nau, wie die Ope­ra­ti­on geht.
Ich kann mich nicht rich­tig er­in­nern. In der ers­ten Zeit im La­ger ha­be ich
nachts Ope­ra­tio­nen re­ka­pi­tu­liert. Um drin zu blei­ben. Dann nicht mehr. Es kann
sein, daß ich es ver­ges­sen ha­be ...«
    »Es kommt ei­nem aus dem Sinn; aber man ver­gißt es nicht wirk­lich. Es ist wie
mit Spra­chen oder Rad­fah­ren.«
    »Man kann es ver­ler­nen. Die Hän­de. Die Prä­zi­si­on. Man kann un­si­cher wer­den.
Oder nicht mehr mit­kom­men. In zehn Jah­ren ist viel pas­siert. Vie­les ent­deckt.
Ich weiß nichts da­von. Ich bin nur äl­ter ge­wor­den, äl­ter und mü­der.«
    »Merk­wür­dig«, sag­te 509. »Ich ha­be vor­hin auch zu­fäl­lig an mei­nen frü­he­ren
Be­ruf ge­dacht. Le­wins­ky hat mich da­nach ge­fragt. Er glaubt, daß wir in zwei
Wo­chen hier 'raus­kom­men. Kannst du dir das vor­stel­len?«
    Ber­ger schüt­tel­te ab­we­send den Kopf. »Wo ist die Zeit ge­blie­ben?« sag­te er. »Es
war end­los. Jetzt sagst du zwei Wo­chen. Und auf ein­mal fragt man: Wo sind die
zehn Jah­re ge­blie­ben?«
    Die bren­nen­de Stadt glüh­te im Tal­kes­sel. Es war im­mer noch schwül, ob­schon es
Nacht war. Dunst be­gann auf­zu­stei­gen.
    Blit­ze zuck­ten. Am Ho­ri­zont glimm­ten noch zwei an­de­re Feu­er – fer­ne,
bom­bar­dier­te Städ­te. »Wol­len wir es nicht einst­wei­len da­mit ge­nug sein las­sen,
daß wir über­haupt den­ken kön­nen, was wir jetzt den­ken. Eph­raim?«
    »Ja. Du hast recht.«
    »Wir den­ken doch schon wie­der wie Men­schen. Und an das, was nach dem La­ger sein
wird. Wann konn­ten wir das? Al­les an­de­re wird schon von selbst wie­der­kom­men.«
    Ber­ger nick­te. »Und wenn ich mein Le­ben lang Strümp­fe stop­fen muß, wenn ich
hier 'raus­kom­me! Trotz­dem...«
    Der Him­mel zer­riß un­ter ei­nem Blitz, und lang­sam folg­te von weit der Don­ner.
    »Willst du 'rein­ge­hen?« frag­te 509. »Kannst du vor­sich­tig auf­ste­hen oder
krie­chen?«
    Das Ge­wit­ter brach um elf Uhr los. Die Blit­ze er­hell­ten den Him­mel, und für
Se­kun­den wur­de ei­ne fah­le Mond­land­schaft mit den Trich­tern und den Rui­nen

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