E.M. Remarque
atemlos. »Grüne fallen ebenfalls
um. Wollen mitmachen. Wir lassen sie. Kapos, Blockälteste, Stubenälteste.
Später werden wir sortieren. Zwei SS-Leute auch. Dazu der Hospitalarzt.«
»Das Schwein«, sagte Bucher.
»Wir wissen, was er ist. Aber wir können ihn gebrauchen. Wir kriegen
Nachrichten durch ihn. Heute Abend ist ein Befehl für einen Abtransport
gekommen.«
»Was?« fragten Berger und 509 zugleich. »Transport. Zweitausend Mann sollen
abtransportiert werden.«
»Sie wollen das Lager räumen?«
»Sie wollen zweitausend Mann. Vorläufig.«
»Der Transport. Das haben wir gefürchtet«, sagte Berger.
»Seid ruhig. Der Schreiber mit den roten Haaren paßt auf. Wenn sie eine Liste
machen, kommt ihr nicht mit drauf. Unsere Leute sind jetzt überall. Außerdem
heißt es, daß Neubauer zögert. Er hat den Befehl noch nicht weitergegeben.«
»Sie werden nicht nach einer Liste gehen«, sagte Rosen. »Sie werden sie
zusammenfangen, wie sie es bei uns getan haben, wenn sie sie nicht anders
kriegen können. Die Liste machen sie dann nachher.«
»Regt euch nicht auf. Es ist noch nicht soweit. Jede Stunde kann alles ändern.«
»Regt euch nicht auf, sagt er.« Rosen zitterte.
»Wir schmuggeln euch zur Not ins Hospital. Der Arzt drückt jetzt beide Augen
zu. Wir haben schon eine Anzahl gefährdeter Leute drin.«
»Haben sie davon gesprochen, daß auch Frauen abtransportiert werden?« fragte
Bucher.
»Nein. Das werden sie auch nicht machen. Es sind noch viel zu wenige hier.«
Lewinsky stand auf. »Komm mit«, sagte er zu Berger. »Ich wollte dich holen.
Deshalb bin ich hier.«
»Wohin?«
»Zum Lazarett. Wir verstecken dich da für ein paar Tage. Wir haben einen Raum
neben der Flecktyphusabteilung; kein Nazi wagt sich dort in die Nähe. Es ist
alles arrangiert.«
»Und warum?« fragte 509.
»Das Krematoriumskommando. Sie erledigen es morgen. Das sind die Gerüchte. Ob
sie ihn dazu rechnen, weiß keiner von uns. Ich glaube, ja.«
Er wandte sich zu Berger.
»Du hast unten zuviel gesehen. Komm zur Vorsicht mit. Zieh dich um. Laß deine
Sachen hier an einem Toten. Nimm seinen Kram.«
»Geh«, sagte 509.
»Und der Blockälteste? Könnt ihr das machen?«
»Ja«, sagte Ahasver überraschend. »Er wird den Mund halten. Wir können das
machen.«
»Gut. Der rothaarige Schreiber ist informiert. Dreyer im Krematorium zittert
vor Angst um sich selbst. Er wird nicht nach dir unter den Toten suchen.«
Lewinsky zog geräuschvoll Luft durch die Nase ein. »Es sind auch zu viele da.
Man stolpert den ganzen Weg hierher darüber. Dauert sicher vier, fünf Tage, bis
alle verbrannt sind. Dann sind neue da. Das Durcheinander ist überall schon so
groß, daß niemand mehr Bescheid weiß. Die Hauptsache ist, daß du nicht zu
finden bist.« Ein Grinsen flackerte über sein Gesicht.
»In solchen! Zeiten ist das immer die Hauptsache. Weit vom Schuß sein.«
»Los«, sagte 509. »Laßt uns einen Toten suchen, der nicht tätowiert ist.«
Sie hatten wenig Licht. Ein schwelendes, unruhiges Rot am westlichen Horizont
half ihnen nicht. Sie mußten sich tief über die Arme der Toten beugen, um
festzustellen, ob Nummern auf die Arme tätowiert waren. Sie fanden einen, der
ungefähr in Bergers Größe war, und zogen ihm seine Sachen aus.
»Los, Ephraim!«
Sie saßen an der Seite der Baracke, die von den Posten abgekehrt war. »Zieh
dich rasch hier um«, flüsterte Lewinsky.
»Je weniger es wissen, um so besser. Gib deine Jacke und Hose her!«
Berger zog sich aus. Er stand wie ein gespenstischer Harlekin gegen der Himmel.
Bei dem unvermuteten Wäscheempfang hatte er eine Frauenunterhose zugeworfen
bekommen, die ihm bis zur halben Wade ging. Dazu trug er ein tief
ausgeschnittenes Hemd ohne Ärmel.
»Meldet ihn morgen früh als tot.«
»Ja. Der
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