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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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ro­si­gen Mäu­lern an zu fres­sen, sanft und lang­sam. »Mucki«, lock­te er, »komm
her, Mucki ...« Die Wär­me des Stal­les lull­te ein. Sie war wie ein fer­ner Schlaf.
Der Ge­ruch der Tie­re brach­te ei­ne ver­ges­se­ne Un­schuld na­he. Es war ei­ne klei­ne
Welt für sich, von fast ve­ge­ta­ti­vem Da­sein, weit weg von Bom­ben, In­tri­gen und
Da­seins­kampf – Kohl­blät­ter und Rü­ben und pel­zi­ges Zeu­gen und Ge­scho­ren­wer­den
und Ge­bä­ren. Neu­bau­er ver­kauf­te die Wol­le; aber er ließ nie ein Tier
schlach­ten.
    »Mucki«, lock­te er wie­der.
    Ein großer wei­ßer Ramm­ler nahm mit zar­ten Lip­pen das Blatt aus sei­ner Hand. Die
ro­ten Au­gen leuch­te­ten wie hel­le Ru­bi­ne.
    Neu­bau­er kraul­te ihm den Nacken. Sei­ne Stie­fel knarr­ten, wäh­rend er sich
nie­der­beug­te. Was hat­te Sel­ma ge­sagt? Si­cher?
    Da im La­ger seid ihr si­cher? Wer war schon si­cher? Wann war er es je­mals
wirk­lich ge­we­sen?
    Er schob mehr Kohl­blät­ter durch die Draht­ma­schen. Zwölf Jah­re, dach­te er. Vor
der Machter­grei­fung war ich Post­se­kre­tär mit knapp zwei­hun­dert Mark im Mo­nat.
    Konn­te nicht le­ben und nicht ster­ben da­mit. Jetzt ha­be ich was. Ich will das
nicht wie­der ver­lie­ren.
    Er blick­te in die ro­ten Au­gen des Ramm­lers. Al­les war gut ge­gan­gen heu­te. Es
wür­de wei­ter gut ge­hen. Das Bom­bar­de­ment konn­te ein Ver­se­hen ge­we­sen sein. So
et­was kam vor bei neu ein­ge­setz­ten For­ma­tio­nen. Die Stadt war un­be­deu­tend; man
hät­te sie sonst schon frü­her zu zer­stö­ren ver­sucht. Neu­bau­er fühl­te, wie er
ru­hi­ger wur­de. »Mucki«, sag­te er und dach­te: si­cher? Na­tür­lich si­cher! Wer will
schon im letz­ten Mo­ment hops ge­hen?

IV
    V er­damm­te Sau­ban­de!
Noch ein­mal ab­zäh­len!«
    Die Ar­beits­kom­man­dos des großen La­gers stan­den in Zehn­er­rei­hen, nach Blocks
ge­ord­net, stramm aus­ge­rich­tet auf dem Ap­pell­platz. Es war be­reits dun­kel, und
in dem un­deut­li­chen Licht wirk­ten die Häft­lin­ge mit ih­ren ge­streif­ten An­zü­gen
wie ei­ne un­ge­heu­re Her­de tod­mü­der Ze­bras.
    Der Ap­pell dau­er­te schon über ei­ne Stun­de, aber er klapp­te noch im­mer nicht.
Das Bom­bar­de­ment war dar­an schuld. Die Kom­man­dos, die im Kup­fer­werk ar­bei­te­ten,
hat­ten Ver­lus­te ge­habt. Ei­ne Bom­be war in ih­re Ab­tei­lung ge­fal­len, und ei­ne An­zahl
Leu­te war ge­tö­tet und ver­letzt wor­den. Au­ßer­dem hat­ten die auf­sicht­füh­ren­den
SS-Mann­schaf­ten nach dem ers­ten Schreck an­ge­fan­gen, zwi­schen die Häft­lin­ge zu
schie­ßen, die De­ckung such­ten; sie hat­ten ge­fürch­tet, sie woll­ten flüch­ten.
Da­durch war noch ein hal­b­es Dut­zend mehr um­ge­kom­men.
    Nach dem Bom­bar­de­ment hat­ten die Ge­fan­ge­nen un­ter dem Schutt und Ge­röll ih­re
To­ten her­aus­ge­holt – oder das, was von ih­nen üb­rig­ge­blie­ben war. Es war wich­tig
für den Ap­pell. So ge­ring das Le­ben ei­nes Ge­fan­ge­nen auch ge­schätzt wur­de und
so gleich­gül­tig die SS sich da­ge­gen ver­hielt: tot oder le­ben­dig, die Zahl beim
Ap­pell muß­te stim­men. Die Bü­ro­kra­tie hielt vor Lei­chen nicht in­ne.
    Die Kom­man­dos hat­ten sorg­fäl­tig al­les mit­ge­nom­men, was sie fin­den konn­ten;
man­che Leu­te hat­ten einen Arm, an­de­re Bei­ne und ab­ge­ris­se­ne Köp­fe ge­tra­gen. Die
paar Bah­ren, die man hat­te zu­sam­menschla­gen kön­nen, wa­ren für Ver­wun­de­te
be­nutzt wor­den, de­nen Glie­der fehl­ten oder de­ren Bäu­che zer­fetzt wa­ren.
    Den Rest der Ver­letz­ten hat­ten die Ka­me­ra­den ge­stützt und mit­ge­schleppt, so gut
es ging. Ver­bän­de hat­te man we­nig ma­chen kön­nen; es war kaum et­was da­für da
ge­we­sen.
    Mit Dräh­ten und Bind­fä­den hat­te man not­dürf­tig die Ver­blu­ten­den ab­ge­bun­den.
    Die Bauch­ver­letz­ten auf den Bah­ren hat­ten ih­re Ein­ge­wei­de mit den ei­ge­nen
Hän­den fest­hal­ten müs­sen.
    Der Zug war müh­se­lig den Berg hin­auf­ge­klet­tert. Un­ter­wegs wa­ren noch zwei Leu­te
ge­stor­ben. Sie wur­den tot wei­ter mit­ge­schleppt. Das hat­te zu ei­nem Zwi­schen­fall
ge­führt, bei dem sich der

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