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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Na­mensauf­ruf fest­stel­len, wer fehlt.«
    Durch die Rei­hen der Ge­fan­ge­nen ging ein kaum merk­li­ches Schwan­ken.
Na­mensauf­ruf be­deu­te­te, daß man noch ein bis zwei Stun­den ste­hen muß­te, wenn
nicht län­ger – bei den Rus­sen und Po­len, die kein Deutsch ver­stan­den, ka­men
dau­ernd Irr­tü­mer mit ih­ren Na­men vor.
    Der Auf­ruf be­gann. Stim­men flat­ter­ten auf; dann hör­te man Schimp­fen und
Schlä­ge.
    Die SS war ge­reizt und prü­gel­te, weil sie ih­re Frei­zeit ver­lor.
    Die Ka­pos und Blockäl­tes­ten prü­gel­ten aus Angst. Hier und da kipp­ten Leu­te um,
und un­ter den Ver­wun­de­ten brei­te­ten sich lang­sam schwar­ze Blut­la­chen aus. Ih­re
grau­wei­ßen Ge­sich­ter wur­den spit­zer und schim­mer­ten töd­lich in der tie­fen
Däm­me­rung. Sie blick­ten er­ge­ben zu ih­ren Ka­me­ra­den hin­auf, die mit den Hän­den
an der Ho­sen­naht da­stan­den und den Ver­blu­ten­den nicht hel­fen durf­ten. Für
man­che war die­ser Wald von dre­cki­gen Ze­bra­bei­nen das letz­te, was sie von der
Welt sa­hen.
    Der Mond kroch hin­ter dem Kre­ma­to­ri­um hoch. Die Luft war die­sig, und er hat­te
einen brei­ten Hof. Ei­ne Zeit­lang stand er ge­nau hin­ter dem Schorn­stein, und
sein Licht schim­mer­te dar­über hin­weg, so daß es aus­sah, als wür­den Geis­ter in
den Öfen ver­brannt und kal­tes Feu­er schlü­ge her­aus. Dann wur­de er lang­sam mehr
und mehr sicht­bar, und der stump­fe Schorn­stein wirk­te jetzt wie ein
Mi­nen­wer­fer, der ei­ne ro­te Ku­gel senk­recht in den Him­mel feu­er­te.
    In der ers­ten Zehn­er­rei­he von Block drei­zehn stand der Ge­fan­ge­ne Gold­stein. Er
war der letz­te am lin­ken Flü­gel, und ne­ben ihm la­gen die Ver­wun­de­ten und To­ten
des Blocks. Ei­ner der Ver­letz­ten war Gold­steins Freund Schel­ler. Er lag als
nächs­ter ne­ben ihm. Gold­stein sah aus den Au­gen­win­keln, daß sich der schwar­ze
Fleck un­ter dem zer­fetz­ten Bein Schel­lers plötz­lich viel ra­scher als vor­her
ver­grö­ßer­te. Der dürf­ti­ge Ver­band hat­te sich ge­löst, und Schel­ler ver­blu­te­te.
Gold­stein stieß sei­nen Ne­ben­mann Mün­zer an; dann ließ er sich seit­lich
um­kip­pen, als sei er ohn­mäch­tig ge­wor­den. Er rich­te­te es so ein, daß er halb
über Schel­ler fiel. Was er mach­te, war ge­fähr­lich.
    Der wü­ten­de SS-Block­füh­rer um­kreis­te die Rei­hen wie ein bis­si­ger Schä­fer­hund.
Ein gu­ter Tritt sei­ner schwe­ren Stie­fel ge­gen die Schlä­fe konn­te Gold­stein
er­le­di­gen. Die Ge­fan­ge­nen in der Nä­he stan­den un­be­weg­lich; aber al­le
be­ob­ach­te­ten, was vor­ging.
    Der Block­füh­rer be­fand sich ge­ra­de mit dem Blockäl­tes­ten am an­de­ren En­de der
Grup­pe. Der Blockäl­tes­te mel­de­te dort et­was. Er hat­te Gold­steins Ma­nö­ver
eben­falls be­merkt und ver­such­te, den Schar­füh­rer für ei­ni­ge Au­gen­bli­cke
fest­zu­hal­ten.
    Gold­stein tas­te­te un­ter sich nach dem Strick, mit dem Schel­lers Bein ab­ge­schnürt
war. Er sah dicht vor sei­nen Au­gen das Blut und roch das ro­he Fleisch. »Laß
doch«, flüs­ter­te Schel­ler.
    Gold­stein fand den ab­ge­rutsch­ten Kno­ten und lös­te ihn. Das Blut spru­del­te
stär­ker.
    »Sie sprit­zen mich ja doch ab«, flüs­ter­te Schel­ler. »Mit dem Bein ...«
    Das Bein hing nur noch an ein paar Seh­nen und Haut­fet­zen.
    Es hat­te sich durch den Fall Gold­steins ver­scho­ben und lag jetzt schief und
son­der­bar da, mit ver­dreh­tem Fuß, als ha­be es ein drit­tes Ge­lenk. Gold­steins
Hän­de wa­ren naß von Blut. Er zog den Kno­ten an, aber der Strick rutsch­te wie­der
ab. Schel­ler zuck­te. »Laß doch ...«
    Gold­stein muß­te den Kno­ten wie­der auf­ma­chen. Er fühl­te den zer­split­ter­ten
Kno­chen an den Fin­gern. Sein Ma­gen kam hoch.
    Er schluck­te, such­te in dem glit­schi­gen Fleisch, fand das Band wie­der, schob es
hö­her und er­starr­te. Mün­zer hat­te ihn ge­gen den Fuß ge­sto­ßen. Es war ei­ne
War­nung; der SS-Block­füh­rer schnauf­te her­an. »Wie­der so ein Schwein! Was ist
mit dem nun wie­der los?«
    »Um­ge­fal­len, Herr Schar­füh­rer.« Der Blockäl­tes­te war ne­ben ihm. »Steh auf,
fau­les Aas!« schrie er Gold­stein an

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