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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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Ta­ge oh­ne Brot.«
    Le­ben­thal schüt­tel­te den Kopf. »Heu­te geht es nicht. Ge­ra­de des­halb nicht.
Heu­te ist Don­ners­tag. Ka­me­rad­schafts­abend in der SS-Ka­ser­ne.«
    »Ach so. Heu­te kom­men die Hu­ren?«
    Le­ben­thal blick­te auf. »So, das weißt du? Wo­her?«
    »Das ist ja egal. Ich weiß es, Ber­ger weiß es, Bu­cher weiß es, und Ahas­ver weiß
es.«
    »Wer sonst noch?«
    »Kei­ner.«
    »So, ihr wißt das! Ich ha­be nicht ge­merkt, daß ihr mich be­ob­ach­tet habt. Muß
bes­ser auf­pas­sen. Gut, das ist al­so heu­te Abend.«
    »Leo«, sag­te 509. »Ver­such heu­te Abend, den Zahn los­zu­wer­den. Das ist
wich­ti­ger. Dies hier kann ich für dich ma­chen. Gib mir das Geld; ich weiß
Be­scheid. Es ist ein­fach.«
    »Du, weißt, wie es ge­macht wird?«
    »Ja, von der Gru­be aus ...«
    Le­ben­thal dach­te nach. »Da ist ein Ka­po bei der Last­wa­gen­ko­lon­ne«, sag­te er
dann. »Er fährt mor­gen in die Stadt. Ich könn­te pro­bie­ren, ob er an­beißt. Gut,
mei­net­we­gen. Und viel­leicht bin ich auch noch recht­zei­tig zu­rück, um die­ses
hier selbst zu ma­chen.«
    Er hielt 509 den Zahn hin.
    »Was soll ich da­mit?« frag­te 509 er­staunt. »Du mußt ihn doch mit­neh­men ...«
    Le­ben­thal schüt­tel­te ver­ach­tungs­voll den Kopf. »Da sieht man, was du vom Han­del
ver­stehst! Meinst du, ich krie­ge et­was da­für, wenn ei­ner von den Brü­dern ihn
erst in den Pfo­ten hat? Das wird an­ders ge­macht. Wenn al­les gut geht, kom­me ich
zu­rück und ho­le ihn. Ver­steck ihn so­lan­ge. Und nun paß auf ...«
    509 lag in ei­ner Bo­den­ver­tie­fung, ein Stück vom Sta­chel­draht ent­fernt,
aber nä­her, als es er­laubt war. Die Pa­li­sa­den mach­ten hier einen Knick, und die
Stel­le war von den Ma­schi­nen­ge­wehr­tür­men schwer ein­zu­se­hen – be­son­ders nachts
und bei Ne­bel.
    Die Ve­te­ra­nen hat­ten das schon seit lan­gem ent­deckt; aber erst Le­ben­thal hat­te
es vor ei­ni­gen Wo­chen fer­tig ge­bracht, Ka­pi­tal dar­aus zu schla­gen.
    Das ge­sam­te Ge­biet ei­ni­ge hun­dert Me­ter au­ßer­halb des La­gers war ver­bo­te­ne
Zo­ne, die nur mit be­son­de­rer Er­laub­nis der SS be­tre­ten wer­den durf­te. Ein
brei­ter Strei­fen da­von war von al­lem Ge­büsch ge­rei­nigt, und die
Ma­schi­nen­ge­weh­re wa­ren dar­auf ein­ge­schos­sen.
    Le­ben­thal, der einen sechs­ten Sinn hat­te für al­les, was mit Es­sen zu­sam­men­hing,
hat­te be­ob­ach­tet, daß seit ein paar Mo­na­ten zwei Mäd­chen Don­ners­tag abends ein
Stück des brei­ten Weges be­nütz­ten, der am Klei­nen La­ger vor­bei­führ­te. Sie
ge­hör­ten zur »Fle­der­maus«, ei­ner Knei­pe mit Stim­mungs­be­trieb, die vor der Stadt
lag, und ka­men als Gäs­te zum ge­müt­li­chen Teil der Kul­tu­ra­ben­de der SS. Die SS
hat­te ih­nen che­va­le­resk er­laubt, durch die ver­bo­te­ne Zo­ne zu ge­hen; sie spar­ten
so einen Um­weg von fast zwei Stun­den. Zur Vor­sicht wur­de wäh­rend der kur­z­en
Zeit, die sie brauch­ten, an der Sei­te des Klei­nen La­gers der Strom ab­ge­stellt.
Die La­ger­ver­wal­tung wuß­te da­von nichts; die SS-Leu­te mach­ten das in dem
all­ge­mei­nen Durch­ein­an­der der letz­ten Mo­na­te auf ei­ge­ne Faust. Sie ris­kier­ten
nichts; nie­mand vom Klei­nen La­ger war fä­hig, zu flie­hen.
    Ei­ne der Hu­ren hat­te ein­mal in ei­nem An­fall von Gut­mü­tig­keit ein Stück Brot
durch den Draht ge­wor­fen, als Le­ben­thal ge­ra­de in der Nä­he ge­we­sen war. Ein
paar im Dun­keln ge­flüs­ter­te Wor­te und das An­ge­bot, zu be­zah­len, hat­ten ge­nügt –
die Mäd­chen brach­ten seit­dem manch­mal et­was mit, be­son­ders bei reg­ne­ri­schem
oder neb­li­gem Wet­ter. Sie war­fen es durch den Draht, in­dem sie ta­ten, als
rich­te­ten sie sich die Strümp­fe oder schüt­tel­ten Sand aus ih­ren Schu­hen. Das
La­ger war völ­lig ab­ge­blen­det, und die Wa­chen schlie­fen an die­ser Sei­te oft;
aber selbst, wenn je­mand miß­trau­isch ge­wor­den wä­re: auf die Mäd­chen hät­te
nie­mand ge­schos­sen, und bis er kam, um nach­zu­se­hen, wä­ren al­le Spu­ren längst
ver­schwun­den ge­we­sen. 509 hör­te, wie der Turm in der Stadt ganz
zu­sam­men­stürz­te. Ei­ne Feu­ergar­be

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