E.M. Remarque
Geld«, sagte er dann. »Essen.«
Lebenthal erwiderte nichts. »Ein Hase«, sagte Bethke. »Ein toter Hase.
Überfahren. Wie ist das?«
»Was für ein Hase? Hund oder Katze?«
»Ein Hase, sage ich dir. Ich habe ihn selbst überfahren.«
»Hund oder Katze?«
Sie starrten sich eine Zeitlang an. Lebenthal blinkte nicht.
»Hund«, sagte Bethke.
»Schäferhund?«
»Schäferhund! Warum kein Elefant? Mittlere Größe. Wie ein Terrier. Fett.«
Lebenthal verriet nichts. Der Hund war Fleisch. Ein riesiger Glücksfall. »Wir
können ihn nicht kochen«, sagte er. »Nicht einmal abziehen. Wir haben nichts
dazu.«
»Ich kann ihn abgezogen liefern.«
Bethke wurde eifriger. Er wußte, daß der Küchenbulle ihn im Essenbesorgen bei
Ludwig leicht schlagen konnte. Er mußte deshalb etwas von außerhalb des Lagers
bekommen, um konkurrieren zu können. Eine kunstseidene Unterhose, dachte er.
Das würde wirken und ihm selber auch noch Vergnügen machen. »Gut, ich koche ihn
dir sogar«, sagte er.
»Trotzdem schwierig. Wir müssen ein Messer dazu haben.«
»Ein Messer? Wozu ein Messer?«
»Wir haben keine Messer bei uns. Wir müssen ihn zerschneiden. Der Küchenbulle
hat mir ...«
»Gut, gut«, unterbrach Bethke ihn ungeduldig. »Also ein Messer dazu.« Die
Unterhose sollte blau sein. Oder lila. Lila war besser. Da war ein Geschäft
nahe dem Depot, das hatte so was.
Der Kapo würde ihn hingehen lassen. Den Zahn würde er dem Dentisten nebenan
verkaufen. »Meinetwegen auch noch ein Messer. Damit ist es aber genug.«
Lebenthal sah, daß er im Moment nicht viel mehr herauskriegen würde. »Ein Brot
natürlich noch«, sagte er. »Das gehört ja dazu. Wann?«
»Morgen Abend. Wenn es dunkel ist. Hinter der Latrine. Bring den Zahn mit.«
»Ist es ein junger Terrier?«
»Wie soll ich das wissen? Bist du verrückt? So mittel. Warum?«
»Er muß sonst länger kochen.«
Bethke sah aus, als wollte er Lebenthal ins Gesicht springen. »Sonst noch was?«
fragte er leise. »Preiselbeersoße? Kaviar?«
»Das Brot?«
»Wer hat was von Brot geredet?«
»Der Küchenbulle ...«
»Halt die Schnauze. Ich werde sehen ...« Bethke hatte es plötzlich eilig. Er
wollte Ludwig auf die Unterhose scharfmachen. Seinetwegen konnte der
Küchenbulle ihn füttern; aber wenn er die Unterhose in Reserve hatte, so würde
das den Ausschlag geben. Ludwig war eitel. Ein Messer konnte er stehlen. Brot
war auch nicht so wichtig.
Und der Terrier war nur ein Dachshund. »Morgen Abend also«, sagte er. »Warte
hinter der Latrine.«
Lebenthal ging zurück. Er glaubte noch nicht ganz an sein Glück. Ein Hase,
würde er in der Baracke sagen. Nicht, weil es ein Hund war, das schreckte
keinen – es hatte Leute gegeben, die versucht hatten, Fleisch von Leichen zu
essen –, sondern weil es zu den Freuden des Geschäfts gehörte, zu übertreiben. Außerdem hatte er Lohmann gern gehabt; deshalb sollte etwas Außerordentliches
gegen seinen Zahn getauscht werden.
Das Messer konnte man im Lager leicht verkaufen; das gab neues Geld zum
Handeln.
Das Geschäft war erledigt. Der Abend war neblig geworden, und weiße
Schwaden zogen durch das Lager. Lebenthal schlich durch das Dunkel zurück. Er
trug den Hund und das Brot unter seiner Jacke versteckt. Ein Stück vor der
Baracke bemerkte er einen Schatten, der mitten über die Straße schwankte. Er
sah sofort, daß es keiner von den gewöhnlichen Sträflingen war; die bewegten
sich nicht so. Einen Augenblick später erkannte er den Blockältesten von 22.
Handke ging, als sei er auf einem Schiri.
Lebenthal wußte sofort, was es bedeutete.
Handke hatte seinen Tag; er mußte irgendwoher Alkohol bekommen haben. Es war
nicht mehr möglich, unbemerkt an ihm vorüber in die Baracke zu kommen, um
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