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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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be­tei­ligt ge­we­sen.
Die Na­zis wa­ren frei­ge­spro­chen wor­den, und Mos­se war nach der Machter­grei­fung
so­fort ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ge­kom­men. Ber­ger hat­te ihn nicht mehr ge­se­hen,
seit er im Klei­nen La­ger war. Er kann­te ihn wie­der, weil er ei­ne Bril­le trug,
in der sich nur ein Glas be­fand. Mos­se brauch­te kein zwei­tes; er hat­te nur ein
Au­ge. Das an­de­re war ihm 1933 als Quit­tung für den Pro­zeß mit ei­ner Zi­ga­ret­te
aus­ge­brannt wor­den.
    Mos­se ging an der Au­ßen­sei­te.
    »Wo­hin?« frag­te Ber­ger ihn, oh­ne die Lip­pen zu be­we­gen.
    »Kre­ma­to­ri­um. Ar­bei­ten.«
    Die Grup­pe mar­schier­te vor­bei. Ber­ger sah jetzt, daß er noch einen der Leu­te
kann­te: Bre­de, einen so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­se­kre­tär. Ihm fiel auf, daß
al­le sechs po­li­ti­sche Sträf­lin­ge wa­ren. Ein Ka­po mit dem grü­nen Win­kel der
Kri­mi­nel­len folg­te ih­nen. Er pfiff ei­ne Me­lo­die vor sich hin. Ber­ger er­in­ner­te
sich, daß es ein Schla­ger aus ei­ner al­ten Ope­ret­te war. Me­cha­nisch kam ihm auch
der Text ins Ge­dächt­nis: »Adieu, du klei­ne Klin­gel­fee, leb wohl, bis ich dich
wie­der­seh'.«
    Er sah der Grup­pe nach. Klin­gel­fee, dach­te er ir­ri­tiert. Es muß­te ei­ne
Te­le­fo­nis­tin da­mit ge­meint ge­we­sen sein. Warum fiel ihm das plötz­lich ein?
Warum wuß­te er die­se Lei­er­kas­ten­me­lo­die noch und so­gar die blöd­sin­ni­gen Wor­te
da­zu? So viel Wich­ti­ge­res war längst ver­ges­sen.
    Er ging lang­sam und at­me­te den fri­schen Mor­gen. Die­ser Gang durchs Ar­beits­la­ger
war für ihn im­mer fast wie ein Gang durch einen Park. Fünf Mi­nu­ten noch bis zur
Mau­er, die das Kre­ma­to­ri­um um­schloß. Fünf Mi­nu­ten Wind und frü­her Tag.
    Er sah die Grup­pe mit Mos­se und Bre­de un­ter dem Tor ver­schwin­den. Es schi­en
son­der­bar, daß neue Leu­te zum Ar­bei­ten im Kre­ma­to­ri­um be­stimmt wor­den wa­ren.
    Das Kre­ma­to­ri­ums­kom­man­do be­stand aus ei­ner be­son­de­ren Grup­pe von Häft­lin­gen,
die zu­sam­men wohn­ten. Sie wur­den bes­ser er­nährt als die an­de­ren und hat­ten auch
sonst ge­wis­se Vor­tei­le. Da­für wur­den sie ge­wöhn­lich nach ei­ni­gen Mo­na­ten
ab­ge­löst und zum Ver­ga­sen ver­schickt. Das jet­zi­ge Kom­man­do war aber erst zwei
Mo­na­te da; und Au­ßen­sei­ter wur­den nur sel­ten hin­zu­kom­man­diert. Ber­ger war fast
der ein­zi­ge. Er war an­fangs zur Aus­hil­fe für ei­ni­ge Ta­ge hin­ge­schickt wor­den
und hat­te dann, als sein Vor­gän­ger starb wei­ter­ge­ar­bei­tet.
    Er be­kam kei­ne bes­se­re Ver­pfle­gung und wohn­te nicht mit dem ei­gent­li­chen
Ver­bren­nungs­kom­man­do zu­sam­men. Des­halb hoff­te er, nicht in wei­te­ren zwei oder
drei Mo­na­ten mit den an­de­ren fort­ge­schickt zu wer­den. Doch das war nur ei­ne
Hoff­nung.
    Er ging durch das Tor und sah jetzt die sechs Mann auf dem Hof in ei­ner Rei­he
ne­ben­ein­an­der ste­hen. Sie stan­den nicht weit von den Gal­gen, die in der Mit­te
er­rich­tet wor­den wa­ren. Al­le ver­such­ten, die Holz­ge­rüs­te nicht zu se­hen. Mos­ses
Ge­sicht hat­te sich ver­än­dert. Er starr­te mit sei­nem einen Au­ge durch das
Bril­len­glas angst­voll auf Ber­ger. Bre­de hielt den Kopf ge­senkt.
    Der Ka­po wen­de­te sich um und er­blick­te Ber­ger. »Was willst du hier?«
    »Kom­man­diert zum Kre­ma­to­ri­um. Zahn­kon­trol­le.«
    »Der Zahnklemp­ner. Dann mach, daß du hier fort­kommst. Still­ge­stan­den die
an­de­ren!«
    Die sechs Mann stan­den so still, wie sie konn­ten. Ber­ger ging dicht an ih­nen
vor­bei.
    Er hör­te Mos­se et­was flüs­tern; aber er ver­stand es nicht. Er konn­te auch nicht
ste­hen blei­ben; der Ka­po be­ob­ach­te­te ihn. Es ist merk­wür­dig, dach­te er daß ein
so klei­nes Kom­man­do von ei­nem Ka­po ge­führt wird – an­statt von ei­nem
Vor­ar­bei­ter.
    Der Kel­ler des Kre­ma­to­ri­ums hat­te an ei­ner Sei­te einen großen schrä­gen Schacht,
der nach au­ßen führ­te. Die Lei­chen, die im Hof auf­ge­sta­pelt wa­ren, wur­den in
die­sen Schacht ge­wor­fen und glit­ten in den Kel­ler. Dort wur­den sie ent­klei­det,
wenn sie nicht schon nackt

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