E.M. Remarque
glauben?«
»Ich war nicht immer ein Jammerlappen.«
Handke starrte 509 eine Weile an. »Ich verschreibe Ihnen die Hälfte des
Geldes«, sagte 509 hastig. »Eine einfache Überschreibung genügt, und es gehört
Ihnen. Zweitausendfünfhundert Schweizer Franken.« Er blickte in das harte,
ausdruckslose Gesicht vor sich. »Der Krieg ist bald zu Ende. Geld in der
Schweiz ist dann gut.« Er wartete. Handke antwortete noch immer nicht. »Wenn
der Krieg verloren ist«, fügte 509 langsam hinzu.
Handke hob den Kopf. »So«, sagte er leise. »Darauf rechnest du also schon, was?
Hast dir alles fein ausgedacht, wie? Das werden wir dir aber mal gründlich
versalzen! Hast dich selber 'reingelegt – jetzt hat dich die Politische
Abteilung auch noch –, verbotener Devisenbesitz im Ausland! Kommt noch zu dem
anderen dazu! Mensch, deinen Kopf möchte ich nicht haben.«
»Zweitausendfünfhundert Franken haben und nicht haben ist nicht dasselbe ...«
»Für dich auch nicht. Scher dich weg!« brüllte Handke plötzlich und stieß 509
so heftig vor die Brust, daß er stürzte.
Langsam richtete 509 sich auf. Berger kam heran. Handke war im Dunkeln
verschwunden.
509 wußte, daß Nachlaufen keinen Zweck mehr hatte; Handke war auch schon zu
weit fort.
»Was ist passiert?« fragte Berger eilig.
»Er hat es nicht genommen.«
Berger antwortete nicht. Er blickte 509 an. 509 sah, daß Berger einen Knüppel
in der Hand hielt. »Ich habe ihm noch viel mehr angeboten«, sagte er. »Er
wollte nicht.« Er blickte verstört um sich. »Ich muß irgend etwas falsch
gemacht haben. Ich weiß nicht, was.«
»Was kann er nur gegen dich haben?«
»Er konnte mich nie leiden.« 509 strich sich über die Stirn. »Es ist jetzt auch
egal. Ich habe ihm sogar Geld in der Schweiz angeboten. Franken.
Zweitausendfünfhundert. Er wollte nicht.«
Sie kamen zur Baracke. Sie brauchten nichts zu sagen; die anderen wußten schon,
was los war. Alle standen, wo sie vorher gestanden hatten; keiner rückt ab –
aber es war, als habe sich um 509 bereits ein freier Platz gebildet, ein
unsichtbarer, unüberschreitbarer Ring, der ihn isolierte: die Einsamkeit des
Todes.
»Verflucht!« sagte Rosen.
509 sah ihn an. Er hatte ihn morgens gerettet. Es war sonderbar, daß er es hatte
tun können und daß er jetzt schon irgendwo war, von wo er keine Hand mehr
ausstrecken konnte.
»Gib mir die Uhr«, sagte er zu Lebenthal.
»Komm in die Baracke«, sagte Berger. »Wir müssen überlegen ...«
»Nein. Jetzt kann man nur noch warten. Gib mir die Uhr. Und laßt mich allein ...«
Er saß allein. Die Zeiger der Uhr schimmerten grünlich in der Finsternis
Dreißig Minuten Zeit, dachte er. Zehn Minuten bis zu den Verwaltungsgebäuden;
zehn Minuten für die Meldung und die Befehle; zehn Minuten zurück Ein Halbkreis
des großen Zeigers – das war sein Leben jetzt.
Es war vielleicht mehr, dachte er plötzlich. Wenn Handke die Meldung wegen des
Schweizer Geldes machte, würde die Politische Abteilung eingreifen. Sie würde
versuchen, das Geld zu bekommen, und ihn so lange leben lassen, bis sie es
hatte. Er hatte nicht daran gedacht, als er es Handke gesagt hatte – nur an die
Habgier des Blockältesten. Es war eine Chance. Aber es war nicht sicher, ob
Handke das Geld melden würde. Vielleicht meldete er, daß Weber 509 sehen wollte.
Bucher kam leise durch das Dunkel. »Hier ist noch eine Zigarette«, sagte er
zögernd.
»Berger will, daß du hereinkommst und sie rauchst.«
Zigarette. Richtig, die Veteranen hatten noch eine. Eine von denen, die
Lewinsky gebracht hatte, nach den Tagen im Bunker.
Der Bunker – jetzt wußte er, wer die dunkle Figur gegen den Himmel gewesen war,
an die Handke ihn erinnert hatte, und wo er sie gesehen hatte. Es war Weber
gewesen. Weber, von dem alles ausgegangen
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