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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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un­an­stän­di­ge Pho­to­gra­phien zu kau­fen, zwei, be­schützt zu
wer­den, drei zu ei­nem Aus­flug im Au­to. Au­ßer­dem wur­den ihr bil­li­ge Ju­we­len
of­fe­riert, jun­ge Ne­ger, jun­ge Ter­ri­er und ei­ni­ge les­bi­sche Da­men. Sie ver­lor
ih­re Ge­las­sen­heit nicht, son­dern gab dem Kell­ner ein Trink­geld im vor­aus. Er
sah es an und sorg­te da­für, daß der stärks­te Be­trieb auf­hör­te. Sie be­kam so
Ge­le­gen­heit, ih­ren Per­nod zu trin­ken und sich um­zu­se­hen.
    Ein blei­cher,
bär­ti­ger Mann an ei­nem Nach­bar­tisch be­gann sie zu zeich­nen; ein
Tep­pich­ver­käu­fer ver­such­te, ihr einen gras­grü­nen Ge­bets­tep­pich zu ver­kau­fen,
wur­de aber vom Kell­ner ver­jagt; als letz­ter nä­her­te sich nach ei­ner Wei­le ein
jun­ger Mann, der sich als mit­te­lo­ser Poet vor­stell­te. Lil­li­an sah, daß sie
we­nig Ru­he ha­ben wür­de, wenn sie al­lein blie­be. Sie lud des­halb den Poe­ten zu
ei­nem Glas Wein ein. Er bat, die Ein­la­dung in ein be­leg­tes Brot zu än­dern. Sie
be­stell­te ihm ein Roast­beef.
    Der Poet hieß
Gérard. Er las ihr nach dem Es­sen zwei Ge­dich­te vor; zwei an­de­re re­zi­tier­te er
aus dem Kopf. Es wa­ren Ele­gi­en über Tod, Ster­ben, Ver­gäng­lich­keit und die
Sinn­lo­sig­keit des Le­bens. Lil­li­an wur­de hei­ter. Der Poet war dünn, aber ein
fa­bel­haf­ter Es­ser. Sie frag­te ihn, ob er noch ein Roast­beef ver­til­gen kön­ne.
Gérard er­klär­te, er kön­ne mit Leich­tig­keit und sie ver­stän­de et­was von der
Dicht­kunst; ob sie nicht auch fin­de, daß das Da­sein trost­los sei? Wo­zu le­be
man? Er aß zwei wei­te­re Roast­beefs, und sei­ne Ver­se wur­den noch schwer­mü­ti­ger.
Er be­gann das Pro­blem des Selbst­mor­des zu dis­ku­tie­ren. Er selbst wä­re da­zu
be­reit – mor­gen na­tür­lich, nicht heu­te, nach ei­nem so reich­li­chen Es­sen.
Lil­li­an wur­de noch hei­te­rer; Gérard war zwar ma­ger, aber er sah ge­sund ge­nug
aus, um noch fünf­zig Jah­re zu le­ben.
    Cler­fa­yt hock­te ei­ne
Zeit­lang in der Ritz-Bar her­um. Dann be­schloß er Lil­li­an an­zu­ru­fen. Der
Nacht­por­tier mel­de­te sich. »Ma­da­me ist nicht im Ho­tel«, er­klär­te er, als er
Cler­fa­yt er­kann­te.
    »Wo ist sie?«
    »Sie ist
fort­ge­gan­gen. Vor ei­ner hal­b­en Stun­de.«
    Cler­fa­yt
kal­ku­lier­te; sie konn­te in so kur­z­er Zeit nicht ge­packt ha­ben. »Hat sie Kof­fer
mit­ge­nom­men?« frag­te er zur Vor­sicht.
    »Nein, mein Herr.
Sie hat einen Re­gen­man­tel an­ge­habt.«
    »Gut, dan­ke.«
    Einen Re­gen­man­tel,
dach­te Cler­fa­yt. Sie bringt es fer­tig, oh­ne Ge­päck zum Bahn­hof zu ge­hen und
ab­zu­fah­ren – zu­rück zu ih­rem Bo­ris Wol­kow, der so viel bes­ser ist als ich.
    Er lief zum Wa­gen.
Ich hät­te bei ihr blei­ben sol­len, dach­te er. Was ist nur mit mir los? Wie
un­ge­schickt man wird, wenn man wirk­lich liebt! Wie der Schel­lack der
Über­le­gen­heit von ei­nem ab­fällt! Wie al­lein man ist, und wie al­le glat­te
Er­fah­rung ver­dampft zu Ne­bel, der ei­nem nur den Blick un­si­cher macht! Ich darf
sie nicht ver­lie­ren!
    Er ließ sich vom
Nacht­por­tier noch ein­mal be­schrei­ben, in wel­cher Rich­tung sie ge­gan­gen sei.
»Nicht zur Sei­ne, mein Herr«, sag­te der Bur­sche be­ru­hi­gend. »Nach rechts.
Viel­leicht woll­te sie noch et­was spa­zie­ren ge­hen und kommt bald zu­rück.«
    Cler­fa­yt fuhr
lang­sam den Bou­le­vard St.-Mi­chel ent­lang. Lil­li­an hör­te Gi­u­sep­pe und sah ihn
gleich dar­auf.
    »Und der Tod?«
frag­te sie Gérard, der ei­ne Kä­se­plat­te vor sich hat­te. »Wenn nun der Tod noch
trost­lo­ser ist als das Le­ben?«
    »Wer sagt uns«,
frag­te Gérard, schwer­mü­tig kau­end zu­rück, »ob das Le­ben nicht ei­ne Stra­fe ist,
die wir er­dul­den müs­sen für ein Ver­bre­chen, das wir in ei­ner an­de­ren Welt
be­gan­gen ha­ben? Viel­leicht ist dies hier die Höl­le und nicht das, was die
Kir­che uns nach dem To­de pro­phe­zeit.«
    »Sie pro­phe­zeit
auch den Him­mel.«
    »Viel­leicht sind
wir dann al­le ge­fal­le­ne En­gel, die zu ei­ner An­zahl von Jah­ren Ba­gno auf der
Er­de ver­ur­teilt wor­den sind.«
    »Wir kön­nen die
Stra­ße ab­kür­zen, wenn wir

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