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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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dem Café. In Se­kun­den war ein Po­li­zist
da, ein paar Al­ge­ri­er ges­ti­ku­lier­ten, ein Mäd­chen schimpf­te, Zei­tungs­jun­gen
rann­ten und schri­en.
    »Komm«, sag­te
Lil­li­an. »In mei­nem Zim­mer ist noch Wein.«

17
    U nd
wann
schi­cken Sie sie?« frag­te Lil­li­an.
    Die Ver­käu­fe­rin bei
Ba­len­cia­ga lä­chel­te. »So bald wie mög­lich.«
    »In ei­ner Wo­che?«
    »In zwei Wo­chen. Es
sind schwie­ri­ge Klei­der. Wir kön­nen sie nicht schnel­ler ma­chen. Wir fan­gen
heu­te an.« Die Ver­käu­fe­rin trug die Ma­ße ein. »Sie sind et­was dün­ner ge­wor­den,
Ma­da­me.«
    »Das ist wahr. Ich
kann tun, was ich will, ich neh­me nicht zu.«
    »Welch ein Glück!«
    »Ja«, sag­te
Lil­li­an. »Für man­che Leu­te wä­re das wirk­lich ein Glück.«
    Sie trat auf die
Ave­nue Ge­or­ge-V. hin­aus. Der Nach­mit­tag emp­fing sie mit Gold und Wind und
Au­to­mo­bi­len. Sie blieb einen Au­gen­blick ste­hen und dach­te über die Klei­der
nach, die sie be­stellt hat­te. Sie hat­te ei­gent­lich über­haupt kei­ne mehr kau­fen
wol­len, weil sie ge­glaubt hat­te, für ihr Le­ben ge­nug zu ha­ben, aber Cler­fa­yt
hat­te sie aufs neue ge­drängt, ihr ei­nes zu schen­ken, und dann hat­te sie
schließ­lich noch das für Ve­ne­dig da­zu ge­nom­men; – die Blu­tung dort hat­te
sie wahr­schein­lich Ta­ge und Wo­che ih­res Le­bens ge­kos­tet, und an­statt dar­über in
Schwer­mut, An­kla­gen und Reue zu ver­sin­ken, er­schi­en es ihr ein­fa­cher, sich zu
sa­gen, daß sie da­durch auch we­ni­ger Geld für ih­ren Un­ter­halt brau­chen wür­de und
sich des­halb ein Kleid mehr kau­fen kön­ne. Sie hat­te es mit be­son­de­rer Sorg­falt
aus­ge­sucht. An­fangs hat­te sie ein dra­ma­ti­sches ha­ben wol­len, aber dann war es
das ein­fachs­te von al­len ge­wor­den, die sie be­saß. Dra­ma­tisch wur­de da­für das,
was Cler­fa­yt ihr ge­schenkt hat­te – es war ein ein­zi­ger Pro­test ge­gen
Tou­lou­se und das, was sie sich dar­un­ter vor­stell­te.
    Sie lä­chel­te sich
im Spie­gel ei­nes Schau­fens­ters zu. In man­chen Din­gen konn­te man gar nicht
ober­fläch­lich ge­nug sein, dach­te sie. Und Klei­der konn­ten ein grö­ße­rer
mo­ra­li­scher Halt sein als al­ler An­spruch auf Recht, mehr als al­les Mit­leid und
al­les Ver­ständ­nis, al­le Beicht­vä­ter, al­le Weis­heit, al­le ver­rä­te­rischen Freun­de
und selbst der Ge­lieb­te. Das war kei­ne Fri­vo­li­tät, son­dern ein­fach Wis­sen um
den Trost und die große Wir­kung der klei­nen Din­ge.
    Es war gut, wenn
man das wuß­te, dach­te Lil­li­an, und für sie fast nur noch das ein­zi­ge. Sie hat­te
kei­ne Zeit mehr für die großen Recht­fer­ti­gun­gen und nicht ein­mal wel­che mehr
für Re­bel­lio­nen. Sie hat­te die ei­ne ge­macht, die sie woll­te, und sie be­gann
manch­mal be­reits dar­an zu zwei­feln – jetzt konn­te sie nur noch ih­re
Rech­nung mit dem Schick­sal ma­chen.
    Sie wuß­te, daß man
all das, wo­mit sie sich täusch­te und trös­te­te, auch als ziem­lich bil­li­ge Tricks
auf­fas­sen konn­te; aber sie war be­reits so weit jen­seits der eh­ren­wer­ten großen
Tricks, mit de­nen der Mensch sein Da­sein er­träg­lich zu ma­chen ver­sucht, daß die
Grö­ßen­un­ter­schie­de für sie nicht mehr exis­tier­ten. Au­ßer­dem schi­en ihr, es
brau­che eben­so­viel, wenn nicht mehr Dis­zi­plin, Mut und Über­win­dung, an die
klei­nen Tricks für den Au­gen­blick zu glau­ben und sie zu ge­nie­ßen, als an die
an­dern, die große Na­men hat­ten. So kauf­te sie ih­re Klei­der und emp­fand da­bei
den­sel­ben Trost wie ein an­de­rer mit al­ler Phi­lo­so­phie der Welt, ge­nau­so wie sie
ih­re Lie­be zu Cler­fa­yt und zum Le­ben be­wußt mit­ein­an­der ver­wech­sel­te und sie in
die Luft warf und wie­der auf­fing und dar­an glaub­te und trotz­dem wuß­te, daß sie
ein­mal zer­schel­len muß­te. Mit ei­nem Bal­lon konn­te man flie­gen, bis er
sank – aber man konn­te kei­ne Häu­ser dar­an­hän­gen. Und wenn er sank, war er
ein to­ter Lap­pen Stoff – kein Bal­lon mehr.
    Sie
traf den
Vi­com­te de Peystre, als sie bei Fou­quet in die Champs-Elysées ein­bog. Er
stutz­te, als er sie sah.
    »Wie glück­lich Sie
aus­se­hen!« sag­te

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