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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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er. »Sind Sie ver­liebt?«
    »Ja. In ein Kleid.«
    »Wie ver­nünf­tig!«
sag­te Peystre. »Ei­ne Lie­be oh­ne Angst und oh­ne Schwie­rig­kei­ten!«
    »Al­so kei­ne!«
    »Ein Teil der
ein­zi­gen Lie­be, die Sinn hat: der zu sich selbst.«
    Lil­li­an lach­te. »Die
nen­nen Sie oh­ne Angst und Schwie­rig­kei­ten? Sind Sie aus Guss­ei­sen oder aus
Schwamm­gum­mi?«
    »Kei­nes von bei­den.
Ich bin ein ver­spä­te­ter Nach­kom­me des acht­zehn­ten Jahr­hun­derts und tei­le das
Schick­sal al­ler Nach­kömm­lin­ge: miß­ver­stan­den zu wer­den. Wol­len Sie einen Kaf­fee
mit mir hier auf der Ter­ras­se trin­ken? Oder einen Cock­tail?«
    »Einen Kaf­fee.«
    Sie be­ka­men einen
Tisch in der spä­ten Son­ne. »Es ist zu ge­wis­sen Zei­ten fast das­sel­be«, sag­te
Peystre, »in der Son­ne zu sit­zen oder über die Lie­be zu re­den oder über das
Le­ben – oder über nichts. Zum Bei­spiel zu die­ser Stun­de. Woh­nen Sie noch
in dem klei­nen Ho­tel an der Sei­ne?«
    »Ich glau­be, ja.
Manch­mal weiß ich es nicht ganz ge­nau. Wenn die Fens­ter am Mor­gen of­fen sind,
scheint es mir oft, als schlie­fe ich mit­ten im Lärm der Place de l'Opéra. Und
nachts ist es manch­mal so, als trie­be ich die Sei­ne hin­un­ter – auf ei­nem
schwei­gen­den Kahn oder im Was­ser, auf dem Rücken, die Au­gen weit of­fen, oh­ne
mich und ganz in mir selbst.«
    »Sie ha­ben
son­der­ba­re Ge­dan­ken.«
    »Im Ge­gen­teil. Ich
ha­be fast gar kei­ne. Träu­me manch­mal, aber auch nicht vie­le.«
    »Brau­chen Sie
kei­ne?«
    »Nein«, sag­te
Lil­li­an. »Ich brau­che wirk­lich kei­ne.«
    »Dann sind wir uns
ähn­lich. Ich brau­che auch kei­ne.«
    Der Kell­ner brach­te
einen Sher­ry für Peystre und ein Känn­chen Kaf­fe für Lil­li­an. Peystre sah
miss­bil­li­gend auf den Kaf­fee. »Das trinkt man bes­ser nach dem Es­sen«, er­klär­te
er. »Wol­len Sie nicht lie­ber einen Ape­ri­tif?«
    »Nein. Wie spät ist
es?«
    »Fünf Uhr«,
er­wi­der­te Peystre ver­wun­dert. »Trin­ken Sie nach der Uhr?«
    »Nur heu­te.«
Lil­li­an wink­te dem Ober­kell­ner.
    »Ha­ben Sie schon
et­was ge­hört, Mon­sieur Lam­bert?«
    »Na­tür­lich! Von
Ra­dio Rom! Seit Stun­den! Ganz Ita­li­en ist am Ra­dio oder steht auf den Stra­ßen«,
sag­te der Ober­kell­ner auf­ge­regt. »Die schwe­ren Wa­gen müs­sen in den nächs­ten
Mi­nu­ten ab­ge­las­sen wer­den. Mon­sieur Cler­fa­yt fährt mit Mon­sieur Tor­ria­ni. Sie
lö­sen sich nicht ab: Cler­fa­yt fährt; Tor­ria­ni ist da­bei als Me­cha­ni­ker. Es ist
ein Sport­wa­gen­ren­nen. Soll ich das Ra­dio ho­len? Ich ha­be es hier.«
    »Ja, ho­len Sie es.«
    »Ist Cler­fa­yt in
Rom?« frag­te Peystre.
    »Nein. In Bre­s­cia.«
    »Ich ver­ste­he
nichts von Ren­nen. Was ist es für ei­nes?«
    »Das
Tau­send-Mei­len-Ren­nen von Bre­s­cia durch ganz Ita­li­en, zu­rück nach Bre­s­cia.«
    Der Ober­kell­ner kam
mit ei­nem trag­ba­ren Ra­dio­ap­pa­rat. Er war ein Renn­fa­na­ti­ker und ver­folg­te das
Ren­nen seit Stun­den. »Sie wer­den in Ab­stän­den von Mi­nu­ten ab­ge­las­sen«, er­klär­te
er. »Die schnells­ten Wa­gen zu­letzt. Es ist ein Ren­nen ge­gen die Stopp­uhr. Ich
wer­de Ra­dio Mai­land ein­stel­len. Fünf Uhr – jetzt kom­men die Nach­rich­ten.«
    Er dreh­te an den
Knöp­fen. Das Ra­dio be­gann zu kräch­zen. Dann kam Mai­land mit po­li­ti­schen
Nach­rich­ten, rasch, als kön­ne der An­sa­ger nicht ei­lig ge­nug zu den
Sport­nach­rich­ten ge­lan­gen. »Wir brin­gen Ih­nen jetzt ei­ne Über­tra­gung aus
Bre­s­cia«, be­gann er mit ver­än­der­ter, lei­den­schaft­li­cher Stim­me. »Ein Teil der
Kämp­fer ist be­reits auf den Weg ge­schickt wor­den. Der Markt­platz steht so voll
von Men­schen, daß sie sich kaum be­we­gen kön­nen ...«
    Der Ap­pa­rat krach­te
und spuck­te. Dann tön­te klar durch den Stim­men­lärm das Heu­len ei­nes Mo­tors, das
so­fort lei­ser wur­de. »Da saust ei­ner ab«, flüs­ter­te Mon­sieur Lam­bert auf­ge­regt.
»Ein Al­fa wahr­schein­lich.«
    Auf der Ter­ras­se
war es still ge­wor­den. Neu­gie­ri­ge ka­men her­an oder lehn­ten von ih­ren Ti­schen
her­über.
    »Wer führt?«
    »Es ist zu früh,
et­was zu sa­gen«, er­klär­te der Ober­kell­ner mit

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