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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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wol­len.«
    »Der Frei­tod!«
Gérard nick­te be­geis­tert. »Und wir scheu­en da­vor zu­rück. Da­bei ist er die
Be­frei­ung! Wä­re das Le­ben Feu­er, wir wüss­ten, was wir tä­ten! Raus­sprin­gen! Die
Iro­nie ...«
    Gi­u­sep­pe kam zum
zwei­ten Mal vor­bei; dies­mal von der Place Ed­mond-Ro­stand her. Die Iro­nie,
dach­te Lil­li­an, ist al­les, was wir ha­ben, und manch­mal ist sie nicht oh­ne Reiz,
so wie jetzt bei die­sem Vor­trag. Sie sah Cler­fa­yt, der so in­ten­siv die Men­ge
auf der Stra­ße mit den Au­gen durch­such­te, daß er sie zehn Schritt da­hin­ter
nicht be­merk­te.
    »Was wä­re das
Höchs­te, was sie vom Le­ben ver­lan­gen wür­den, wenn Ih­re Wün­sche er­füllt wer­den
könn­ten?« frag­te sie Gérard.
    »Das ewi­ge Un­er­füll­ba­re«,
er­wi­der­te der Poet so­fort.
    Sie sah ihn dank­bar
an. »Dann brau­chen Sie al­so nichts mehr zu wün­schen«, sag­te sie. »Sie ha­ben es
be­reits.«
    »Nur noch einen
Zu­hö­rer wie Sie!« er­klär­te Gérard düs­ter-ga­lant und scheuch­te den Zeich­ner
fort, der das Por­trät Lil­lians aus der Fer­ne be­en­det hat­te und jetzt wie­der an
den Tisch kam. »Für im­mer. Sie ver­ste­hen mich.«
    »Ge­ben Sie das Bild
mir«, sag­te Cler­fa­yt zu dem ent­täusch­ten Zeich­ner.
    Er war von hin­ten
zu Fuß her­an­ge­kom­men und be­trach­te­te Gérard miss­bil­li­gend. »Sche­ren Sie sich
weg«, sag­te Gérard zu ihm. »Se­hen Sie nicht, daß wir be­schäf­tigt sind? Wir
wer­den, weiß Gott, ge­nug ge­stört. Garçon, noch zwei Per­nod! Und wer­fen Sie
die­sen Herrn hin­aus!«
    »Drei«, er­wi­der­te
Cler­fa­yt und setz­te sich. Der Zeich­ner stand in be­red­ter Stumm­heit ne­ben ihm.
Er be­zahl­te ihn. »Es ist schön hier«, sag­te er zu Lil­li­an. »Warum sind wir
nicht schon öf­ter hier­her ge­kom­men?«
    »Und wer sind Sie,
un­ge­be­te­ner Frem­der?« frag­te Gérard, im­mer noch ei­ni­ger­ma­ßen si­cher, daß
Cler­fa­yt ei­ne Art Zu­häl­ter sei und einen der üb­li­chen Tricks ver­such­te, mit
Lil­li­an be­kannt zu wer­den.
    »Der Di­rek­tor der
Ir­ren­an­stalt von St.-Ger­main-des-Prés, mein Sohn, und die­se Da­me ist ei­ne
un­se­rer Pa­ti­en­tin­nen. Sie hat heu­te Aus­gang. Ist et­was pas­siert? Bin ich schon zu
spät ge­kom­men? Kell­ner, neh­men Sie das Mes­ser hier weg! Die Ga­bel auch!«
    Das In­ter­es­se des
Poe­ten sieg­te über den Skep­ti­zis­mus in Gérard. »Wirk­lich?« flüs­ter­te er. »Ich
woll­te im­mer schon ...«
    »Sie kön­nen ru­hig
laut spre­chen«, un­ter­brach Cler­fa­yt ihn. »Sie liebt ih­re Si­tua­ti­on. Völ­li­ge
Ver­ant­wor­tungs­frei­heit. Sie un­ter­steht kei­nem Ge­setz. Selbst wenn sie mor­de­te,
wür­de sie frei­ge­spro­chen.«
    Lil­li­an lach­te. »Es
ist um­ge­kehrt«, sag­te sie zu Gérard.
    »Er ist mein frü­he­rer
Mann. Ent­lau­fen aus der An­stalt. Ty­pisch ist, daß er mich be­schul­digt.«
    Der Poet war kein
Narr. Au­ßer­dem war er Fran­zo­se. Er sah jetzt klar und er­hob sich mit ei­nem
zau­ber­haf­ten Lä­cheln. »Man­che ge­hen zu spät, und man­che ge­hen zu früh«,
er­klär­te er. »Geh zur rech­ten Zeit – al­so sprach Za­ra­thustra. Mor­gen,
Ma­da­me, wird ein Ge­dicht für Sie hier beim Kell­ner lie­gen.«
    »Es
ist schön,
daß du ge­kom­men bist«, sag­te Lil­li­an.
    »Wenn ich nun
ge­schla­fen hät­te, hät­te ich dies al­les ver­säumt. Das grü­ne Licht und die sü­ße
Re­bel­li­on des Blu­tes. Und den Schlamm und die Schwal­ben dar­über.«
    Cler­fa­yt nick­te.
»Ver­zeih mir. Aber du bist manch­mal et­was zu schnell für mich. Du tust in
Stun­den, wo­zu an­de­re Jah­re brau­chen – so wie die Zau­ber­pflan­zen, die un­ter
den Hän­den ei­nes Yo­gis in Mi­nu­ten auf­wach­sen und blü­hen ...«
    – und ster­ben,
dach­te Lil­li­an. »Ich muß es tun, Cler­fa­yt«, sag­te sie. »Ich ha­be so viel
nach­zu­ho­len. Des­halb bin ich auch so ober­fläch­lich. Für die Weis­heit ist spä­ter
noch ge­nug Zeit.«
    Er nahm ih­re Hand
und küß­te sie. »Ich bin ein Idi­ot. Und ich wer­de es täg­lich mehr. Aber ich ha­be
nichts da­ge­gen. Es ge­fällt mir. Wenn du nur da bist. Ich lie­be dich sehr.«
    Ein schar­fer,
schnel­ler Streit ent­stand plötz­lich vor

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