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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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Durch­schnitts­ge­schwin­dig­kei­ten und Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten, und
dann vol­ler Stolz: »Wenn die füh­ren­den Wa­gen so wei­ter­fah­ren, wer­den sie in
neu­er Re­kord­zeit wie­der in Bre­s­cia sein!«
    Lil­li­an stutz­te. In
Bre­s­cia, dach­te sie. Zu­rück in der klei­nen Pro­vinz­stadt mit Ga­ra­gen, Cafés und
Lä­den, von der sie auf­ge­bro­chen wa­ren. Sie spiel­ten mit dem To­de, sie tob­ten
durch die Nacht, sie fie­len der ent­setz­li­chen Mü­dig­keit des frü­hen Mor­gens
an­heim mit star­ren, mas­ken­glei­chen, vom Dreck ver­krus­te­ten Ge­sich­tern, sie
ras­ten wei­ter, wei­ter, als gin­ge es um das Größ­te der Welt – al­les nur, um
wie­der in die klei­ne Pro­vinz­stadt zu­rück­zu­keh­ren, von der sie ge­kom­men wa­ren!
Von Bre­s­cia nach Bre­s­cia!
    Sie stell­te das
Ra­dio ab und ging zum Fens­ter. Von Bre­s­cia nach Bre­s­cia! Gab es ein stär­ke­res
Sym­bol der Sinn­lo­sig­keit? Hat­te das Le­ben ih­nen da­zu Wun­der wie ge­sun­de Lun­gen
und Her­zen ge­schenkt, un­be­greif­li­che che­mi­sche Fa­bri­ken wie die Le­ber und die
Nie­ren, ei­ne wei­ße, wei­che Mas­se im Schä­del, die phan­tas­ti­scher war als
sämt­li­che Stern­sys­te­me, al­les das, um es zu ris­kie­ren und, wenn sie Glück
hat­ten, von Bre­s­cia nach Bre­s­cia zu kom­men? Welch ent­setz­li­che Narr­heit!
    Sie blick­te auf die
Ket­te der Au­tos, die un­abläs­sig am Quai vor­beig­litt. Fuhr nicht je­der von
Bre­s­cia nach Bre­s­cia? Von Tou­lou­se nach Tou­lou­se? Von Selbst­ge­nü­gen zu
Selbst­ge­nü­gen? Und von Selbst­be­trug zu Selbst­be­trug? ich auch! dach­te sie.
Wahr­schein­lich ich auch! Trotz al­lem! Aber wo ist mein Bre­s­cia? Sie blick­te auf
das Te­le­gramm Holl­manns. Dort, wo­her es kam, gab es kein Bre­s­cia. We­der ein
Bre­s­cia noch ein Tou­lou­se. Dort gab es nur den laut­lo­sen, un­er­bitt­li­chen Kampf,
den Kampf um Atem an der ewi­gen Gren­ze. Dort gab es kein Selbst­ge­nü­gen und
kei­nen Selbst­be­trug. Sie wand­te sich ab und ging ei­ne Wei­le im Zim­mer um­her.
Sie be­tas­te­te ih­re Klei­der, und ihr war plötz­lich, als rie­se­le Asche in ih­nen.
Sie hob ih­re Bürs­ten und Käm­me auf und leg­te sie wie­der hin, oh­ne zu wis­sen,
daß sie sie in der Hand ge­hal­ten hat­te. Was ha­be ich nur ge­tan? dach­te sie. Und
was tue ich? Schat­ten­haft kam durch das Fens­ter ei­ne Ah­nung, als ha­be sie einen
ent­setz­li­chen Irr­tum be­gan­gen, einen Irr­tum, dem nicht aus­zu­wei­chen ge­we­sen und
der jetzt un­wi­der­ruf­lich war.
    Sie be­gann sich
an­zu­zie­hen für den Abend. Das Te­le­gramm lag noch auf dem Tisch. Im Licht der
Lam­pen schi­en es hel­ler zu sein als al­les an­de­re im Zim­mer. Sie blick­te von
Zeit zu Zeit dar­auf. Sie hör­te das Klat­schen des Flus­ses und roch das Was­ser
und das Laub der Bäu­me. Was tun sie jetzt da oben? dach­te sie und be­gann sich
zum ers­ten Ma­le zu er­in­nern. Was ta­ten sie, wäh­rend Cler­fa­yt über die dunklen
Stra­ßen vor Flo­renz sei­nen Schein­wer­fern nachras­te? Sie zö­ger­te noch ei­ne
Wei­le – dann nahm sie das Te­le­fon auf und sag­te die Num­mer des
Sa­na­to­ri­ums.
    »Sie­na kommt!«
schrie Tor­ria­ni. »Tan­ken, Rei­fen wech­seln.«
    »Wann?«
    »In fünf Mi­nu­ten.
Der ver­damm­te Re­gen!«
    Cler­fa­yt ver­zog das
Ge­sicht. »Wir ha­ben ihn nicht al­lein. Die an­dern auch. Paß auf, wo das De­pot
ist!« Die Häu­ser mehr­ten sich. Die Schein­wer­fer ris­sen sie aus dem klat­schen­den
Dun­kel. Über­all stan­den Men­schen in Re­gen­män­teln und mit Schir­men. Wei­ße Mau­ern
tauch­ten auf, Leu­te, die wegs­pritz­ten. Schir­me, die wie Pil­ze im Sturm
schwank­ten, der schleu­dern­de Wa­gen – »Das De­pot!« schrie Tor­ria­ni.
    Die Brem­sen
fass­ten, der Wa­gen schüt­tel­te sich und stand. »Ben­zin, Was­ser, die Rei­fen,
los!« rief Cler­fa­yts in das echo­haf­te Nach­hal­len nach dem Auf­hö­ren des Mo­tors.
Es hing in sei­nen Oh­ren, als wä­ren sie lee­re, al­te Sä­le wäh­rend ei­nes
Ge­wit­ters.
    Je­mand gab ihm ein
Glas Zi­tro­nen­was­ser und ei­ne neue Bril­le. »Wo lie­gen wir?« frag­te Tor­ria­ni.
    »Glän­zend! An
acht­zehn­ter

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