E.M. Remarque
gesehen. Zwölfmal Schwarz. Es war vor dem Kriege. Damals gab es
Tische mit einem viel höheren Maximum als heute, im Cercle privé. Der Mann, der
die Serie spielte, sprengte die Bank. Er setzte hinterher auf die Dreizehn, und
die Dreizehn kam in zwölf Coups fünfmal. Es war eine Sensation. Alles setzte
mit ihm. Er ruinierte dadurch die Bank zweimal in einer Nacht. Es war ein
Russe. Wie hieß er doch? Wolkow oder so ähnlich. Ja, Wolkow.«
»Wolkow?« fragte
Lillian ungläubig. »Doch nicht Boris Wolkow?«
»Richtig! Boris
Wolkow. Kannten Sie ihn?«
Lillian schüttelte
den Kopf. Nicht so, dachte sie. Sie sah, daß Clerfayt sie beobachtete.
»Ich wüsste gern,
was aus ihm geworden ist«, sagte Fiola. »Er war ein Mann, der hier Aufsehen
erregte. Einer der letzten Spieler in der großen Tradition. Erstklassiger
Schütze außerdem. Er war damals hier mit Maria Andersen. Vielleicht haben Sie
von ihr gehört. Sie war eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe.
Starb in Mailand bei einem Bombenangriff.« Er wendete sich an Clerfayt. »Haben
Sie nie von Wolkow gehört?«
»Nie«, sagte
Clerfayt.
»Sonderbar! Er fuhr
damals auch irgendwo bei ein paar Rennen mit. Als Amateur natürlich. Ich habe
selten jemand gesehen, der so viel Alkohol vertragen konnte. Wahrscheinlich hat
er sich zugrunde gerichtet; er machte ganz den Eindruck, daß er es wollte.«
Clerfayts Gesicht
war finster geworden. Er winkte dem Kellner, noch eine Flasche zu bringen.
»Spielen Sie heute noch?« fragte Fiola ihn. »Doch sicher nicht!«
»Warum nicht?
Serien kommen in Serien. Vielleicht gibt es sogar heute noch eine von
dreizehnmal Schwarz.«
»Er sollte nicht
weiterspielen«, sagte Fiola zu Lillian.
»Heute nicht. Das
ist ein Gesetz, so alt wie die Welt.«
Lillian sah zu
Clerfayt hinüber. Er hatte sie dieses Mal nicht gefragt mitzukommen, um ihm
Glück zu bringen, und sie wußte, warum. Wie kindisch er ist, dachte sie
zärtlich. Und wie blind in seiner Eifersucht! Hat er denn vergessen, daß es nie
ein anderer ist, der zerstört, sondern immer nur man selbst?
»Sie dagegen
sollten spielen«, sagte Fiola. »Sie sind zum ersten Maie hier. Tun Sie es für
mich? Kommen Sie!«
Sie gingen zu einem
anderen Tisch. Fiola begann zu setzen, und nach ein paar Minuten ließ auch
Lillian ein paar Scheine in Jetons umwechseln. Sie setzte vorsichtig kleine
Summen; Geld war für sie mehr als Besitz, es war ein Stück Leben. Sie wollte
nie auf Onkel Gastons griesgrämige Hilfe angewiesen sein.
Sie fing fast
sofort an zu gewinnen. »Da ist die Kinderhand«, sagte Fiola, der verlor. »Dies
ist Ihre Nacht! Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen nachsetze?«
»Sie werden es
bereuen.«
»Nicht beim Spiel.
Setzen Sie, wie es Ihnen in den Kopf kommt.«
Lillian setzte eine
Zeitlang Rot und Schwarz, dann die zweite Douzaine und schließlich Nummern. Sie
gewann zweimal auf Zero. »Das Nichts liebt Sie«, sagte Fiola lachend.
Die Greisin mit der
Schildkröte erschien. Sie setzte sich mit bösem Gesicht Lillian gegenüber.
Zwischen den Sätzen flüsterte sie mit der Schildkröte. Auf ihrer Hand hing lose
ein Diamant von großer Schönheit. Ihr Hals war faltig wie der des Tieres, und
beide ähnelten sich. Sie hatten auch die gleichen fast lidlosen Augen, die kein
Weiß zeigten.
Lillian spielte
jetzt abwechselnd Schwarz und die Dreizehn. Als sie nach einiger Zeit
aufblickte, sah sie, daß Clerfayt auf der anderen Seite stand und ihr Spiel
beobachtete. Sie hatte wie Boris Wolkow gesetzt und sie sah, daß Clerfayt es
bemerkt hatte. Sie setzte rebellisch die Dreizehn weiter. Nach sechs Coups kam
sie. »Genug«, sagte sie und schob ihre Jetons vom Tisch in ihre Tasche. Sie hatte
gewonnen, sie wußte nicht, wieviel.
»Wollen Sie schon
gehen?« fragte Fiola.
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