Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
Zeit­lang
still auf ih­rem Lie­ge­stuhl. Wol­kow saß hin­ter ihr und las. Die Son­ne rück­te vor
und er­reich­te mit der Kan­te ih­res sich ver­schie­ben­den Licht­vier­ecks ih­re Au­gen,
die sich un­ter den Li­dern so­fort mit war­mem, oran­ge­far­be­nem und gol­de­nem Licht
füll­ten. »Manch­mal möch­te ich et­was ganz Un­sin­ni­ges tun, Bo­ris«, sag­te sie.
»Et­was, das den glä­ser­nen Ring hier zer­schlägt. Mich fal­len­las­sen –
ir­gend­wo­hin.«
    »Das möch­te je­der.«
    »Du auch?«
    »Ich auch.«
    »Warum tun wir es
dann nicht?«
    »Es wür­de nichts
än­dern. Wir wür­den den Ring nur noch stär­ker spü­ren. Oder ihn zer­schla­gen, uns
zer­schnei­den an sei­nen Spit­zen und ver­blu­ten.«
    »Du auch?«
    Bo­ris sah auf die
schma­le Ge­stalt vor sich. Wie we­nig sie von ihm wuß­te, ob­schon sie glaub­te, ihn
zu ver­ste­hen!
    »Ich ha­be ihn
ak­zep­tiert«, sag­te er und wuß­te, daß es nicht wahr war. »Es ist ein­fa­cher,
Du­scha. Be­vor man sich mit zweck­lo­sem Hass da­ge­gen ver­braucht, soll man
ver­su­chen, ob man nicht da­mit le­ben kann.«
    Lil­li­an fühl­te ei­ne
Wel­le von Mü­dig­keit kom­men. Da wa­ren die Ge­sprä­che wie­der, in de­nen man sich
wie in Spinn­we­ben ver­fing. Es stimm­te al­les, doch was half das?
    »Ak­zep­tie­ren ist
re­si­gnie­ren«, mur­mel­te sie nach ei­ner Wei­le. »Da­zu bin ich noch nicht alt
ge­nug.«
    Warum geht es
nicht? dach­te sie. Und warum be­lei­di­ge ich ihn, ob­schon ich es nicht will? Wo­zu
wer­fe ich ihm vor, daß er län­ger hier ist als ich und daß er das Glück hat,
an­ders dar­über zu den­ken als ich? Warum ir­ri­tiert es mich, daß er so ist wie
ein Mann in ei­nem Ge­fäng­nis, der Gott dankt, daß man ihn nicht ge­tö­tet
hat – und ich wie ei­ner, der Gott hasst, weil er nicht frei ist?
    »Hö­re nicht auf
mich, Bo­ris«, sag­te sie. »Ich re­de nur so da­her. Es ist der Mit­tag und der
Wod­ka und der Föhn. Und viel­leicht ist es doch auch Rönt­gen­pa­nik – ich
will sie nur nicht zu­ge­ben. Kei­ne Nach­richt hier oben ist schlech­te Nach­richt.«
    Die Glo­cken der
Kir­che im Dorf be­gan­nen zu läu­ten. Wol­kow stand auf und ließ den Vor­hang ge­gen
die Son­ne wei­ter her­un­ter. »Eva Mo­ser wird mor­gen ent­las­sen«, sag­te er.
»Ge­sund.«
    »Ich weiß. Sie ist
schon zwei­mal ent­las­sen wor­den.«
    »Die­ses Mal ist sie
wirk­lich ge­sund. Das Kro­ko­dil hat es mir be­stä­tigt.«
    Lil­li­an hör­te durch
das Ver­hal­len der Glo­cken plötz­lich den Ton Gi­u­sep­pes. Der Wa­gen kam rasch die
Ser­pen­ti­nen her­auf und hielt. Sie wun­der­te sich, wes­halb Cler­fa­yt ihn
her­auf­brach­te; es war das ers­te Mal seit sei­ner An­kunft. Wol­kow stand auf und
blick­te über den Bal­kon hin­ab.
    »Hof­fent­lich will
er mit dem Wa­gen nicht Ski­fah­ren«, sag­te er spöt­tisch.
    »Si­cher nicht.
Warum?«
    »Er hat ihn am
Ab­hang hin­ter den Tan­nen ge­parkt. Ne­ben der Übungs­wie­se für An­fän­ger; nicht vor
dem Ho­tel.«
    »Er wird schon
wis­sen, warum. Wes­halb kannst du ihn ei­gent­lich nicht lei­den?«
    »Das weiß der
Teu­fel! Viel­leicht, weil ich ein­mal so ähn­lich war wie er.«
    »Du!« er­wi­der­te
Lil­li­an schläf­rig. »Das muß aber lan­ge her sein.«
    »Ja«, be­stä­tig­te
Wol­kow bit­ter. »Das ist sehr lan­ge her.«
    Ei­ne hal­be Stun­de
spä­ter hör­te Lil­li­an den Wa­gen Cler­fa­yts ab­fah­ren. Bo­ris war vor­her ge­gan­gen.
Sie lag noch ei­ne Wei­le, die Au­gen ge­schlos­sen, und blick­te auf die schwan­ken­de
Hel­lig­keit un­ter ih­ren Li­dern. Dann stand sie auf und ging nach un­ten.
    Zu ih­rem Er­stau­nen
sah sie Cler­fa­yt auf ei­ner Bank vor dem Sa­na­to­ri­um sit­zen. »Ich glaub­te, Sie
wä­ren vor­hin nach un­ten ge­fah­ren«, sag­te sie und setz­te sich ne­ben ihn. »Ha­be
ich be­reits Hal­lu­zi­na­tio­nen?«
    »Nein.« Er
blin­zel­te in das star­ke Licht. »Das war Holl­mann.«
    »Holl­mann?«
    »Ja. Ich ha­be ihn
ins Dorf ge­schickt, ei­ne Fla­sche Wod­ka zu kau­fen.«
    »Mit dem Wa­gen?«
    »Ja«, sag­te
Cler­fa­yt. »Mit dem Wa­gen. Es war höchs­te Zeit, daß er end­lich mal in die Kar­re
klet­ter­te.«
    Man hör­te den Mo­tor
wie­der. Cler­fa­yt stand auf und

Weitere Kostenlose Bücher