Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
ein
Renn­fa­na­ti­ker.
    Lil­li­an war sehr
er­regt. Sie starr­te in die dra­ma­ti­sche Nacht drau­ßen. Ir­gend­wo hoch über den
Ber­gen tob­te ein Sturm, von dem man un­ten nichts merk­te. Der Mond glitt hin­ter
den zer­ris­se­nen Wol­ken her­vor und tauch­te zu­rück in sie, und die Wol­ken­schat­ten
mach­ten die wei­ßen Hän­ge le­ben­dig, als flö­gen gi­gan­ti­sche Schat­ten-Fla­min­gos
mit mäch­ti­gen Schwin­gen um die Welt.
    Im Ka­min der Hüt­te
brann­te ein großes Feu­er. Es gab hei­ßen Punsch und Wein zu trin­ken. »Was
möch­ten Sie?« frag­te Cler­fa­yt. »Al­les ist heiß, was aus­ge­schenkt wird, der
Punsch und der Glüh­wein – aber der Ober­kell­ner hat für uns et­was Wod­ka und
Ko­gnak vor­rä­tig, wenn wir wol­len. Ich ha­be ihn heu­te nach­mit­tag ei­ne Run­de mit
Gi­u­sep­pe durchs Dorf ma­chen las­sen. Er hat zwei Ker­zen ver­ölt und war
glück­lich. Wol­len Sie Ko­gnak? Ich schla­ge Glüh­wein vor.«
    »Gut«, sag­te
Lil­li­an. »Glüh­wein.«
    Der Kell­ner brach­te
die Glä­ser. »Wann fah­ren Sie mor­gen?« frag­te Lil­li­an.
    »Vor dem
Dun­kel­wer­den.«
    »Wo­hin?«
    »Nach Pa­ris. Fah­ren
Sie mit?«
    »Ja«, er­wi­der­te
Lil­li­an.
    Cler­fa­yt lach­te; er
glaub­te ihr nicht. »Gut«, sag­te er. »Sie kön­nen aber nicht viel Ge­päck
mit­neh­men. Gi­u­sep­pe ist nicht da­für ein­ge­rich­tet.«
    »Ich brau­che nicht
viel. Den Rest kann ich nach­schi­cken las­sen. Wo ma­chen wir zu­erst Sta­ti­on?«
    »Wir fah­ren aus dem
Schnee her­aus, weil Sie ihn so has­sen. Nicht sehr weit. Über die Ber­ge ins
Tes­sin. Zum La­go Mag­gio­re. Dort ist es schon Früh­ling.«
    »Und dann?«
    »Nach Genf.«
    »Und dann?«
    »Nach Pa­ris.«
    »Kann man nicht
gleich nach Pa­ris fah­ren?«
    »Dann müß­ten wir
schon die­se Nacht auf­bre­chen. Es ist et­was zu weit für einen Tag.«
    »Kann man vom La­go
Mag­gio­re in ei­nem Tag hin­kom­men?«
    Cler­fa­yt
be­trach­te­te sie plötz­lich auf­merk­sam. Er hat­te al­les bis jetzt für ei­ne
Spie­le­rei ge­hal­ten; aber sie frag­te zu ein­ge­hend für ei­ne Spie­le­rei. »Man kann
in ei­nem lan­gen Tag hin­kom­men«, sag­te er. »Aber warum? Wol­len Sie die
Nar­zis­sen­wie­sen um Genf nicht se­hen? Je­der will sie se­hen.«
    »Ich kann sie im
Vor­bei­fah­ren se­hen.«
    Auf der Ter­ras­se
wur­de ein Feu­er­werk ab­ge­brannt. Ra­ke­ten stie­gen auf, Licht­rä­der dreh­ten sich
mit flie­gen­den Fun­ken, und dann ka­men Ge­schos­se, die rot und steil auf­stie­gen
und die, wenn man schon glaub­te, sie hät­ten sich auf ih­rem ein­sa­men Fluge
er­schöpft, plötz­lich in Gar­ben von Gold und Grün und Blau zer­spran­gen und in
Hun­der­ten von glit­zern­den Bäl­len wie­der zur Er­de zu­rück­stürz­ten.
    »Um Got­tes wil­len!«
flüs­ter­te Holl­mann plötz­lich. »Der Dalai La­ma!«
    »Wo?«
    »In der Tür. Er ist
ge­ra­de ge­kom­men.«
    Der Pro­fes­sor stand
tat­säch­lich bleich und kahl­köp­fig am Ein­gang und mus­ter­te das Ge­tüm­mel in der
Hüt­te. Er trug einen grau­en An­zug. Je­mand stülp­te ihm ei­ne Pa­pier­kap­pe über den
Kopf. Er wisch­te sie her­un­ter und steu­er­te auf einen Tisch zu, der nicht weit
von der Tür ent­fernt war.
    »Wer konn­te das
ah­nen?« sag­te Holl­mann. »Was wol­len wir jetzt tun?«
    »Gar nichts«, sag­te
Lil­li­an.
    »Sol­len wir uns
nicht vor­sich­tig mit den an­de­ren hin­aus­drücken?«
    »Nein.«
    »Er er­kennt Sie
nicht, Holl­mann«, er­klär­te Do­lo­res Pal­mer. »Mit Ih­rem Schnurr­bart.«
    »Aber Sie! Und
Lil­li­an. Lil­li­an be­son­ders.«
    »Wir kön­nen uns so
set­zen, daß er eu­re Ge­sich­ter nicht se­hen kann«, sag­te Charles Ney und stand
auf. Do­lo­res wech­sel­te ih­ren Platz mit ihm, und Ma­ria Sa­vi­ni nahm den Stuhl von
Holl­mann. Cler­fa­yt lä­chel­te amü­siert und sah zu Lil­li­an hin­über, ob sie nicht
mit ihm wech­seln wol­le. Sie schüt­tel­te den Kopf. »Tun Sie es, Lil­li­an«, sag­te
Charles. »Er er­kennt Sie sonst, und mor­gen gibt es großen Krach. Wir ha­ben
die­sen Mo­nat oh­ne­hin schon al­ler­hand auf dem Kerb­holz.«
    Lil­li­an sah das
blei­che Ge­sicht des Dalai La­ma mit den blas­sen Au­gen wie einen Mond über den
Ti­schen schwe­ben,

Weitere Kostenlose Bücher