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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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daß du gehst.«
    Sie senk­te den
Kopf. »Du hast recht. Schla­ge wei­ter.«
    Schlag wei­ter,
dach­te er. Wenn man nur einen Au­gen­blick zuck­te, sag­ten sie: Schla­ge wei­ter,
als woll­te man selbst sie ver­las­sen. Ih­re Lo­gik reich­te nie wei­ter als bis zur
letz­ten Ant­wort, al­les da­vor wur­de so­fort ab­ge­tan, als sei es nicht pas­siert.
Nicht das, was den Schrei pro­vo­zier­te, son­dern nur der Schrei war maß­ge­bend.
»Ich schla­ge dich nicht«, sag­te er.
    »Du willst, daß ich
bei dir blei­be.«
    »Ich möch­te, daß du
hier bleibst. Das ist ein Un­ter­schied.«
    Ich lü­ge auch
be­reits, dach­te er. Na­tür­lich will ich nur, daß sie bei mir bleibt, sie ist das
Ein­zi­ge, Letz­te, was ich ha­be, der Pla­net Er­de ist für mich zu­sam­men­ge­schrumpft
auf die­ses Dorf, ich kann sei­ne Ein­woh­ner zäh­len, ich ken­ne fast je­den da­von,
das ist mei­ne Welt ge­wor­den, und sie ist das, was ich von die­ser Welt will, ich
kann sie nicht ver­lie­ren, ich darf sie nicht ver­lie­ren, ich ha­be sie schon
ver­lo­ren. »Ich möch­te nicht, daß du dein Le­ben fort­wirfst wie wert­lo­ses Geld«,
sag­te er.
    »Das sind Wor­te,
Bo­ris. Wenn je­mand im Ge­fäng­nis die Wahl hat, ein Jahr frei zu le­ben und dann
zu ster­ben, oder aber im Ge­fäng­nis zu ver­kom­men – was soll er tun?«
    »Du bist nicht im
Ge­fäng­nis, Du­scha! Du hast ei­ne ent­setz­lich falsche Vor­stel­lung von dem, was
un­ten Le­ben ist.«
    »Das weiß ich. Ich
ken­ne es ja nicht. Ich ken­ne nur den Teil, der Krieg, Be­trug und Elend war, und
wenn der Rest auch voll von Ent­täu­schun­gen sein wird, so kann es doch nicht
schlim­mer sein als das, was ich ken­ne und von dem ich weiß, daß es nicht al­les
sein kann. Es muß noch et­was an­de­res da sein, das an­de­re, das ich nicht ken­ne,
das, was mich un­ru­hig macht und mich ruft« – sie hielt in­ne –, »Lass
uns nicht mehr spre­chen, Bo­ris, es ist al­les falsch, was ich sa­ge, es wird falsch,
wäh­rend ich es sa­ge, die Wor­te sind falsch und ba­nal und sen­ti­men­tal und
tref­fen es nicht, und sie wer­den zu Mes­sern, und ich will dich nicht krän­ken,
aber je­des Wort muß ei­ne Krän­kung sein, wenn ich ehr­lich sein will, und selbst
wenn ich glau­be, ich sei ehr­lich, bin ich es im­mer noch nicht, siehst du denn
nicht, daß ich es selbst nicht weiß?«
    Sie blick­te ihn an
mit ei­ner Mi­schung von ohn­mäch­tig ge­wor­de­ner Lie­be, Mit­leid und Feind­se­lig­keit.
Warum zwang er sie, noch ein­mal al­les das zu wie­der­ho­len, was sie sich
tau­send­mal vor­ge­sagt hat­te und schon ver­ges­sen woll­te?
    »Lass Cler­fa­yt
ab­fah­ren, und du wirst in we­ni­gen Ta­gen ein­se­hen, wie falsch es ge­we­sen wä­re,
die­sem Rat­ten­fän­ger zu fol­gen«, sag­te Wol­kow.
    »Bo­ris«, er­wi­der­te
Lil­li­an hoff­nungs­los. »Es ist nicht Cler­fa­yt. Muß es denn ein an­de­rer Mann
sein?«
    Er ant­wor­te­te
nicht. Wo­zu sa­ge ich ihr das, dach­te er. Ich bin ein Narr, ich tue al­les, um
sie wei­ter fort­zu­ja­gen! Warum sa­ge ich ihr nicht lä­chelnd, daß sie recht hat?
Warum be­nüt­ze ich nicht den al­ten Trick? Weiß ich nicht, daß ver­liert, wer
fest­hal­ten will, und daß man dem nach­läuft, der lä­chelnd los­lässt? Ha­be ich das
ver­ges­sen? »Nein«, sag­te er. »Es muß nicht ein an­de­rer Mann sein. Aber wenn es
nicht so ist, warum fragst du dann nicht mich, ob ich mit dir kom­men will?«
    »Dich?«
    Falsch, dach­te er,
wie­der falsch! Wo­zu drän­ge ich mich auf? Sie will der Krank­heit
ent­flie­hen – wo­zu soll­te sie da einen Kran­ken mit­neh­men? Der letz­te Mann,
mit dem sie rei­sen möch­te, bin ich!
    »Ich will nichts
mit­neh­men, Bo­ris«, er­wi­der­te sie. »Ich lie­be dich; aber ich will nichts
mit­neh­men.«
    »Du willst al­les
ver­ges­sen?«
    Wie­der falsch,
dach­te er ver­zwei­felt. »Das weiß ich nicht«, sag­te Lil­li­an ge­drückt. »Ich will
nichts von hier mit­neh­men. Ich kann es nicht. Quä­le mich nicht!«
    Er stand einen
Au­gen­blick sehr still. Er wuß­te, daß er nicht mehr ant­wor­ten soll­te; aber zur
sel­ben Zeit schi­en es ihm ent­setz­lich wich­tig, ihr zu er­klä­ren, daß sie bei­de
nicht mehr lan­ge zu le­ben hät­ten, und daß das, was sie beim Le­ben jetzt

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